Nach der Pensionierung litt Dora Weber unter Wadenkrämpfen. Meist kamen sie in der Nacht. «Das war sehr unangenehm», erinnert sich die 88-Jährige aus Birsfelden BL. Sie musste mitten in der Nacht aufstehen. Am nächsten Morgen war sie müde und hatte Kopfweh wegen des Schlafmangels. Ihr Hausarzt empfahl ihr ein Magnesiumpräparat.
Magnesium soll nicht nur Krämpfe lösen. Hersteller bewerben es auch als Schlafhilfe. Die Firma Protina zum Beispiel schreibt im Internet, ihr Präparat Diasporal hemme das Ausschütten von Stresshormonen und könne sich dadurch «positiv auf Schlafstörungen auswirken». Auch die Werbung für das Produkt «Abtei Magnesium stark für die Nacht» erweckt den Eindruck, die Tabletten könnten den Schlaf verbessern.
Bessere Wirkung durch Kräuterbalsam
Doch Fachleute raten davon ab. Der Arzt Etzel Gysling, Herausgeber der Fachzeitschrift «Pharma-Kritik», erklärt: «Krämpfe in Beinmuskeln gehören zweifellos zu den unangenehmsten Schlafstörungen.» Aber er habe seinen Patienten nie Magnesium als Schlafmittel verordnet.
Eine kanadische Übersichtsstudie mit 150 Teilnehmern zeigte, dass Magnesium die Schlafdauer nur um eine Viertelstunde verlängert, verglichen mit einem Scheinmedikament. Auch Dora Weber sagt, Magnesium habe ihr nicht geholfen. Eine Freundin gab ihr den Tipp, die Beine mit 10-Kräuter-Pferdebalsam einzureiben. Zudem bewegte sie sich mehr an der frischen Luft. «So brachte ich die Krämpfe endlich unter Kontrolle», freut sich die Seniorin.
Fachleute äussern auch Bedenken wegen der Sicherheit. Die Ärztin Stephanie Wolff aus Bülach ZH meint: «Magnesium ist nicht harmlos. Viele Leute nehmen es in zu hoher Dosis ein.» Dann könne es im Darm die Aufnahme anderer Spurenelemente wie Eisen und Selen hemmen. Weil Magnesium stark mit anderen Substanzen reagiert, darf man es laut Wolff nicht zusammen mit Medikamenten verwenden.
Laut dem Herzspezialisten Frank-Chris Schoebel aus Düsseldorf (D) berichten manche Patienten nach der Einnahme von Magnesium von Herzbeschwerden, Schlafstörungen und Panikattacken. Das seien Anzeichen einer Überdosis. Der Arzt rät, höchstens 250 Milligramm pro Tag zu schlucken. Allerdings enthält bereits eine einzelne Kapsel der Migros-Eigenmarke Actilife deutlich mehr Magnesium, nämlich 375 Milligramm.
Stephanie Wolff rät: «Statt Pillen zu schlucken, sollte man bei Schlafproblemen besser die Ursachen angehen.» Etwa Stress, Schlafapnoe, die Menopause, Restless Legs oder Lärm. Etzel Gysling empfiehlt Betroffenen eine spezielle Form der Psychotherapie, die Verhaltenstherapie für Schlafstörungen. Studien hätten gezeigt, dass sie gleich gut oder sogar besser wirke als Schlafmittel.
Die Firma Doetsch Grether, die Diasporal in der Schweiz vertreibt, schreibt saldo, sie empfehle Magnesium nicht im Zusammenhang mit Schlafproblemen. Beim Hersteller Protina heisst es, Studien hätten einen Zusammenhang zwischen dem Magnesiumspiegel im Körper und der Schlafqualität gezeigt. Und die Migros hält fest, ihre Magnesium-Produkte würden die gesetzlich erlaubte Obergrenze von 375 Milligramm pro Tag einhalten.
Dehnen hilft gegen Muskelkrämpfe
Viele Leute leiden unter nächtlichen Muskelkrämpfen. Statt Magnesium empfehlen Fachleute, die Muskeln der Waden und der Oberschenkel mehrmals pro Tag zu dehnen. Zudem sollte man tagsüber zwei Liter Wasser trinken. Eine Übersichtsstudie des Cochrane-Forschernetzwerks bestätigte vor zwei Jahren, dass Dehnen gegen Muskelkrämpfe hilft. Der Zürcher Sportarzt Walter O. Frey empfiehlt Dehnen auch Wanderern: «Damit kann man Krämpfe sehr gut verhindern und behandeln.»
Das Merkblatt «Dehnen von Kopf bis Fuss»enthält Übungen, die gegen Muskelkrämpfe helfen. Unter www.saldo.ch/service herunterladen oder bestellen bei: saldo, «Dehnen», Postfach, 8024 Zürich.
Tipps für einen guten Schlaf
- Stehen Sie morgens stets zur gleichen Zeit auf und gehen Sie zur gleichen Zeit ins Bett.
- Gehen Sie nicht zu früh ins Bett. Halten Sie sich abends mit leichten Aktivitäten wach.
- Bewegen Sie sich regelmässig an der frischen Luft.
- Trinken Sie nach 15 Uhr keinen Kaffee. Trinken Sie nur ein- bis zweimal pro Woche und nur mässig Alkohol.
- Nehmen Sie Schlafmittel nur gelegentlich ein, nicht über längere Zeit. Sie können süchtig machen.