Nicht weniger als 8,1 Prozent Rendite haben die Schweizer Pensionskassen letztes Jahr gemäss dem Pensionskassen-Index der Credit Suisse erwirtschaftet. Der CS-Index basiert auf den Ergebnissen von rund 130 Pensionskassen, für die sie als Depotstelle fungiert.
Es ist das viertbeste Ergebnis seit Beginn der Messung des Indexes im Jahr 2000, obwohl zurzeit die Zinsen sehr tief sind. Über die letzten sechs Jahre erzielten die Pensionskassen im Durchschnitt 5,5 Prozent. Die Oberaufsichtskommission Berufliche Vorsorge des Bundes (OAK) veröffentlichte vergangene Woche ähnliche Zahlen wie die CS: Die Nettorendite auf dem Vermögen der Pensionskassen belief sich danach im Jahr 2017 auf durchschnittlich 6,9 Prozent bei privatrechtlichen Pensionskassen und 8,2 Prozent bei öffentlich-rechtlichen Vorsorgeeinrichtungen.
Die hohen Renditen der vergangenen Jahre zeigen: Die aktuelle Tiefzinsperiode bedeutet nicht, dass auf Vermögen keine gute Rendite erwirtschaftet werden kann. Im Gegenteil: Ende 2017 betrug das angesparte Alterskapital der Erwerbstätigen 514 Milliarden Franken, auf den Konten der Rentner lagen laut OAK 351 Milliarden. Zudem hatten Pensionskassen und Versicherungen bis Ende 2015 116 Milliarden Reserven angelegt (saldo 4/2017). Mit diesem Vermögen von total 981 Milliarden Franken erzielten alle Vorsorgeeinrichtungen zusammen letztes Jahr bei einer Rendite von 8,1 Prozent laut CS-Index 79 Milliarden Franken Ertrag.
Die Versicherten erhalten kaum etwas von den schönen Renditen
Wie viel davon bleibt unter dem Strich für die Versicherten? Nur wenig. Denn die Pensionskassen und Versicherungen geben den Zinsertrag nur zu einem kleinen Teil an die Erwerbstätigen und Rentner weiter. Den Löwenanteil behalten sie für sich.
Das ist deshalb legal, weil der Bundesrat jedes Jahr eine Mindestverzinsung vorschreibt, die sehr tief ist. Trotz 8,1 Prozent Rendite mussten die Kassen das Guthaben der Versicherten 2017 nur mit 1 Prozent verzinsen – und auch das nur im obligatorischen Bereich. Immerhin: Die tatsächliche Verzinsung ist oft höher, weil einige Pensionskassen ihren Versicherten mehr als den Mindestzins weitergeben (siehe Tabelle im PDF).
Das VZ Vermögenszentrum hat kürzlich die Zinsgutschriften der letzten drei Jahre von 30 Pensionskassen untersucht. Diese versichern total 1,5 Millionen Angestellte. Ergebnis: Die beste Kasse verzinste die Altersguthaben im Durchschnitt mit 3,08 Prozent, die schlechteste mit 1,27 Prozent. Das heisst: Die bestplatzierte Pensionskasse hat das Guthaben der Versicherten mehr als doppelt so hoch verzinst wie die letztplatzierte.
Solche Differenzen haben wegen des Zinseszinseffektes langfristig einen massiven Einfluss auf das Altersguthaben bei der Pensionierung. Bei 100 000 Franken Jahreslohn erhält ein Versicherter laut VZ bei der letztplatzierten Pensionskasse bei einer Verzinsung seines Alterskapitals mit 1,27 Prozent mit 65 den Betrag von 483 045 Franken. Würde sein Alterskapital hingegen bei der bestplatzierten Kasse mit 3,08 Prozent verzinst, so erreicht er ein Altersguthaben von 675 128 Franken – eine Differenz von rund 192 000 Franken. Neben den Einzahlungen in die Pensionskasse ist der Zins also für die Höhe der Ersparnisse bei der Pensionierung zentral.
Pensionskassen machen auch auf Kosten der Rentner Gewinn
Umso ärgerlicher ist es für die Erwerbstätigen, dass die Verzinsung ihres Altersguthabens weit unter der tatsächlichen Rendite liegt. Die Differenz lag letztes Jahr im Durchschnitt aller Versicherten bei gut 5 Prozent. Das macht unter dem Strich mindestens 25 Milliarden Franken, die den erwerbstätigen Versicherten bei einem Gesamtalterskapital von 514 Milliarden Franken in einem einzigen Jahr an Zinsen vorenthalten wurden. Dass dieses Geld in die Reserven ihrer Kasse fliesst, nützt ihnen nichts. Wer den Arbeitgeber wechselt, erhält nur sein – tief verzinstes – Altersguthaben als Freizügigkeitskapital. Von den Reserven der Kasse sieht er keinen Franken.
Bei den Rentnern sieht die Rechnung ähnlich aus: Bei der heutigen Lebenserwartung und einem technischen Zins von 3,5 Prozent, der für einen Umwandlungssatz von 6,8 Prozent nötig ist, machten die Pensionskassen unter dem Strich letztes Jahr auf Kosten der Rentner einen Gewinn von mindestens 12 Milliarden Franken.
Matthias Kuert von Travail Suisse, dem Dachverband der Angestellten, kritisiert die Zinspolitik der Pensionskassen: «Jetzt ist es an der Zeit, die Versicherten endlich stärker an den Renditeerfolgen zu beteiligen.» Gabriela Medici vom Schweizerischen Gewerkschaftsbund pflichtet ihm bei: «Die hohen Erträge der Pensionskassen müssen den aktiven Versicherten mit einer höheren Verzinsung zugute kommen».
In der Vollversicherung ist die Axa besonders knausrig
Noch unfairer als die Versicherten in den Pensionskassen werden die Angestellten behandelt, deren Arbeitgeber die 2. Säule bei einer Lebensversicherung abgeschlossen haben. Die Axa-Winterthur verzinst das Obligatorium mit dem gesetzlichen Minimum von 1 Prozent. Im Überobligatorium müssen sich die Versicherten gar mit mickrigen 0,5 Prozent zufrieden geben (siehe Tabelle im PDF).
Swiss Life und die anderen Vollversicherungen (siehe Glossar unten) Allianz, Pax und Bâloise schreiben sowohl im obligatorischen als auch im überobligatorischen Bereich je 1 Prozent gut. Der Rest der Erträge geht nur zu einem Teil in die Reserven – ein weiterer Teil fliesst an die Aktionäre. Die Swiss Life etwa erzielte im Jahr 2016 im Geschäft mit der 2. Säule einen Gewinn von 135 Millionen Franken. Insgesamt machten die acht Lebensversicherer im 2016 laut der Finanzmarktaufsicht Finma 602 Millionen Franken Gewinn.
Die privaten Lebensversicherer versichern insgesamt gut 1,8 Millionen Angestellte von vorwiegend kleinen und mittleren Firmen. Das ist knapp die Hälfte aller erwerbstätigen Versicherten in der Schweiz. Gemäss der Finma erhält zurzeit ein Viertel aller Rentner ihre Altersrente von den acht Lebensversicherern.
Versicherte für dumm verkauft
«Jährlich fliessen 7 Milliarden Franken von aktiven Versicherten zu Rentnern» titelte etwa der «Tages-Anzeiger» letzte Woche nach der Medienkonferenz der Oberaufsichtskommission Berufliche Vorsorge des Bundes (OAK). Tatsache ist: Die Kommission beruft sich bei dieser Zahl auf Angaben, die sie von den Pensionskassen erhielt.
Die Zahlen der Pensionskassen beruhen aber nicht auf den tatsächlichen Kosten der Rentner, sondern auf der Höhe der Rückstellungen, welche die Kassen für die Generation der Rentner machen. Diese Rückstellungen basieren auf weit höheren Lebenserwartungen der Rentner, als es der Sterbestatistik entspricht. Zudem werden die Alterskapitalien der Rentner mit einem viel geringeren Zins berechnet, als erwirtschaftet wird. Beispiel 2017: Die meisten Pensionskassen rechnen mit einem technischen Zinssatz zwischen 2 und 3 Prozent, obwohl sie auf dem Alterskapital der Rentner rund 8 Prozent Rendite erzielten.
Fakt ist: Sowohl erwerbstätigen Versicherten als auch Rentnern werden von den Kassen zu tiefe Kapitalerträge gutgeschrieben. Der Rest wandert in die Reserven der Kassen. Deshalb steigt der Deckungsgrad der Pensionskassen stetig: im letzten Jahr gemäss OAK von durchschnittlich 107,1 auf 110,8 Prozent. Das bedeutet: Die Pensionskassen verfügen über Reserven von weit mehr als 100 Milliarden Franken, die sie ihren Versicherten vorenthalten. Bei den Versicherungen fliesst ein Teil der Kapitalerträge an die Aktionäre.
Glossar
Legal Quote
Die Legal Quote verlangt von den Lebensversicherern, dass mindestens 90 Prozent der Prämien und Renditen den Versicherten zugute kommen müssen. Der Rest darf als Gewinn in die Kassen der Versicherungen fliessen.
Mindestzins
Der Bundesrat setzt die Höhe des Mindestzinses fest. Aktuell liegt der Zins bei 1 Prozent. Der Mindestzins gilt nur im BVG-Obligatorium. Das ist der versicherte Lohn zwischen 24 675 und 84 600 Franken. Viele Betriebe versichern einen höheren Lohn. In diesem überobligatorischen Bereich können Pensionskassen den Zinssatz nach eigenem Ermessen festlegen.
Technischer Zins
Er ist eine theoretische Annahme der Pensionskassen zur Frage, welche Renditen in der Zukunft mit dem Alterskapital der Rentner erzielt werden können. Je tiefer eine Kasse den technischen Zinssatz festlegt, desto höher wird der Betrag, den sie für Rentner zurücklegen muss. So werden Renter auf dem Papier teuer gemacht. Mit den tatsächlichen Ausgaben für sie hat dies aber nichts zu tun.
Umwandlungssatz
Aktuell beträgt der Umwandlungssatz 6,8 Prozent. Er gilt nur fürs BVG-Obligatorium. Im Überobligatorium dürfen die Kassen einen tieferen Satz anwenden. Mit dem Umwandlungssatz berechnen Pensionskassen die Höhe der jährlichen Rente. Hat jemand beispielsweise 400 000 Franken Alterskapital, so erhält er bei einem Umwandlungssatz von 6,8 Prozent eine Rente von 27 200 Franken im Jahr oder 2267 Franken im Monat.
Vollversicherung
Die grossen Lebensversicherungen garantieren in der Vollversicherung die Renten und Kapitalleistungen stets zu 100 Prozent. Teilautonome und autonome Pensionskassen hingegen können bei schlechter Anlagepolitk in Unterdeckung fallen.
Dann dürfen sie die Prämien erhöhen, bis der Deckungsgrad wieder bei 100 Prozent liegt.