Die Bodenbaufirma schickt zwei ihrer Angestellten ans Kreisgericht Toggenburg – sie kommen ohne Anwalt in das altehrwürdige Gerichtsgebäude mitten in der Altstadt von Lichtensteig SG. Auch der beklagte Bauherr ist nicht durch einen Anwalt vertreten. Alle Beteiligten kennen sich offenbar vor Gericht nicht aus und wirken etwas unsicher.
Der Einzelrichter erklärt ihnen zu Beginn den Ablauf der Gerichtsverhandlung in allen Einzelheiten. Zuerst fordert er die Kläger auf, ihr Anliegen vorzubringen und es möglichst knapp zu begründen.
Einer der beiden Angestellten der Baufirma bringt vor, sein Unternehmen habe im Februar im Haus des Beklagten einen Boden eingebaut. Die Rechnung über rund 15 000 Franken sei bis heute nicht bezahlt worden. Sie hätten dann gemahnt und schliesslich mit einer Betreibung gedroht. Im Juni sei dann eine schriftliche Mängelrüge des Bauherrn eingetroffen – zusammen mit einem Gutachten über die angeblichen Mängel. Das sei aber viel zu spät gewesen. «Rügen muss man sofort.» Und das Gutachten werde nicht akzeptiert, «weil es niemand von uns in Auftrag gegeben hat». Um ihre Forderung zu sichern, hätten sie provisorisch ein Bauhandwerkerpfandrecht im Grundbuch eintragen lassen.
Der Bauherr fordert mit Gegenklage über 30 000 Franken
Der Bauherr bestreitet nicht, dass die Rechnung noch offen ist. Aber der Boden sei wegen grosser Risse und Löcher unbrauchbar. Dass er früher hätte reklamieren müssen, habe er nicht gewusst. «Ich mache das zum ersten Mal.» Er habe die Firma aufgefordert, nachzubessern. Doch diese habe sich geweigert, den Boden überhaupt anzuschauen.
Der Bauherr ärgert sich zudem darüber, dass die Schlussabrechnung einen Drittel höher ausgefallen ist als abgemacht. Er erhob Widerklage und forderte von der Bodenbaufirma wegen der Bauschäden Schadenersatz in der Höhe von fast 30 000 Franken. Diese Klage ist zusammen mit der Forderung der Bodenbaufirma ebenfalls Gegenstand der Verhandlung.
Der Einzelrichter wiegt die Argumente gar nicht erst gegeneinander ab, sondern fragt die Parteien, ob sie Vergleichsvorschläge hätten. Er selbst «sehe sich nicht in der Lage», selbst einen zu machen. Der Bauherr sagt: «Ich will einfach, dass es vorbei ist und ich nichts mehr mit der Sache zu tun habe.» Geld sei ihm nicht wichtig. Sein Vorschlag: «Niemand zahlt niemandem etwas.»
Die beiden Angestellten des Bauunternehmens verlassen den Gerichtssaal, um sich zu besprechen. Sie sind mit dem Vergleichsvorschlag eines Nullsummenspiels jedoch nicht einverstanden. Als sie zurückkommen, legen sie dem Richter dar, dass sie «aus Kulanz» auf einen Teil des Geldes verzichten würden. Der Bauherr solle 4500 Franken statt der geforderten 15 000 Franken zahlen.
Der Richter macht dem Beklagten den Vergleich schmackhaft
Damit ist der Auftraggeber nicht einverstanden. Der Richter redet ihm gut zu: «Ich finde das einen vernünftigen Vorschlag.» Als er noch immer nicht einschlagen will, mahnt der Richter: «Recht haben und Recht bekommen ist nicht dasselbe.» Er erklärt, dass bei einem Vergleich beide Seiten Federn lassen müssten. Als alles nichts nützt, droht er sachte: «Bei einem Gerichtsentscheid könnte es ganz anders herauskommen.»
Der Bauherr zögert noch immer. «Muss ich mich denn jetzt entscheiden?» Er würde lieber eine Nacht darüber schlafen, meint er. Der Richter nickt und erklärt, es gebe auch die Möglichkeit eines Widerrufsvorbehalts. Der Bauherr wirkt erleichtert.
Beide Parteien sind mit dem Vergleich mehr oder weniger zufrieden
Und so arbeiten die Parteien unter Anleitung des Richters eine Vereinbarung aus: Der Bauherr muss rund 4300 Franken statt der ursprünglich geforderten 15 000 Franken zahlen. Die Gerichtskosten in der Höhe von 1000 Franken werden hälftig geteilt. Die Parteien vereinbaren darüber hinaus, dass das provisorisch eingetragene Bauhandwerkerpfandrecht gelöscht wird, nachdem die Zahlung bestätigt ist. Das Gericht wird das Grundbuchamt benachrichtigen und die Löschung veranlassen.
Schliesslich unterzeichnen beide Parteien den Vergleich. Der Richter schliesst die Verhandlung. Alle drei Männer verlassen mehr oder weniger zufrieden den Gerichtssaal.
Mängelrüge: Unbedingt Beweise sichern
Beim Bau eines Hauses passieren häufig Fehler. Falls nichts anderes vereinbart wurde, gilt laut Gesetz: Entdeckte Mängel müssen «sofort» gerügt werden. Gemäss Rechtsprechung des Bundesgerichts heisst das innerhalb von Tagen. Aus Beweisgründen empfiehlt sich ein eingeschriebener Brief.
Hat der Bauherr korrekt gerügt, kann er vom Handwerker eine Nachbesserung oder eine Preisreduktion verlangen. Besteht Uneinigkeit über einen Mangel, empfiehlt es sich, bei einem Experten ein Gutachten einzuholen. Wichtig: Aus Beweisgründen immer den Sachverhalt möglichst genau festhalten, am besten mit Fotos.