Vom 1. März an müssen die Passagiere von Bahnen, Bussen und Trams in Luxemburg kein Ticket mehr lösen. Luxemburgs Regierung aus Liberalen, Sozialdemokraten und Grünen macht die Benützung des öffentlichen Verkehrs ab diesem Zeitpunkt gratis. Bis auf zwei Ausnahmen: Für die 1. Klasse in Zügen und den grenzüberschreitenden Bahnverkehr brauchts weiterhin Billette. Die bisherigen Kontrolleure und Billettverkäufer erhalten neue Aufgaben. Ein Stellenabbau ist nicht geplant.
Die staatliche Eisenbahn Luxemburgs beschäftigt 4600 Angestellte, die für den Betrieb von täglich 600 Reisezügen und 70 Bahnhöfe zuständig sind. Zum öffentlichen Verkehr gehören neben wenigen Trams 1600 Busse auf 350 Strecken.
Ticketeinnahmen von bisher 44 Millionen Franken entfallen
Die Regierung des Kleinstaats baut mit der Einführung des Nulltarifs zugleich den öffentlichen Verkehr aus – unter anderem mit mehr Park-undRide-Plätzen sowie mehr Trams. Das Ziel: Autofahrer sollen vermehrt auf Bus, Bahn und Tram umsteigen. Denn die rund 600 000 Einwohner leiden unter dem Autoverkehr. Auf 1000 Einwohner kommen 670 PWs – in Europa haben nur die Liechtensteiner mehr Autos. Zudem pendeln jeden Tag rund 200 000 Personen aus Frankreich, Belgien und Deutschland zur Arbeit nach Luxemburg. 61 Prozent von ihnen fahren allein im Auto und sorgen für häufige Staus in den Stosszeiten.
Luxemburg bezahlt seinen öffentlichen Verkehr schon heute zu etwa 90 Prozent mit Steuern. Für die Einführung des Nulltarifs muss das Land nur weitere 44 Millionen Franken pro Jahr aufwerfen. So viel machten die jährlichen Einnahmen aus dem Billettverkauf aus, die künftig entfallen. Pro Einwohner sind das 73 Franken. Das jährliche Budget des Kleinstaats beträgt 27 Milliarden Franken. Zum Vergleich: Die Schweiz gibt pro Jahr 232,5 Milliarden aus.
Schweiz: Zusätzliche Kosten von rund 600 Franken pro Kopf
Könnte sich die Schweiz mit diesem riesigen Budget ebenfalls einen kostenlosen öffentlichen Personenverkehr leisten? Die Antwort lautet «Ja». Die hiesigen Transportunternehmen nahmen laut Bundesamt für Statistik im Jahr 2016 rund 5,6 Milliarden Franken durch den Verkauf von Billetten ein. Bus- und Trambenutzer steuerten 1,6 Milliarden bei, Zugpassagiere 4 Milliarden. Mit der Einführung des Nulltarifs müssten aber nicht die vollen 5,6 Milliarden Franken aus Steuermitteln ersetzt werden. Denn die zahlreichen Verkehrsbetriebe erzielen heute mit dem Personenverkehr stattliche Gewinne. Beim SBB-Konzern waren es in den Jahren 2014 bis 2018 insgesamt 1,9 Milliarden Franken, davon stammten allein vom Betrieb der Fernstrecken 726 Millionen. A ber auch BLS, Südostbahn oder die Matterhorn-Gotthard-Bahn schliessen jedes Jahr mit ein- bis zweistelligen Millionengewinnen ab. Bund und Kantone müssten also bei einem Verzicht auf Billetteinnahmen jährlich maximal zusätzlich 5 Milliarden Franken aufbringen. Das sind pro Einwohner gut 600 Franken. Zum Vergleich: Ein Generalabo zweiter Klasse kostet heute 3860 Franken.
Milliardenausgaben mit umweltschädlicher Wirkung
5 Milliarden Franken aufzubringen wäre gut möglich – angesichts anderer Ausgaben mit höchst umweltschädlichen Wirkungen. Mit 1,7 Milliarden pro Jahr unterstützt der Bund etwa das Fliegen, indem er bei Swiss & Co. auf eine Kerosinsteuer verzichtet. 3,6 Milliarden steckten Bund, Kantone und Gemeinden laut Bundesamt für Statistik 2017 in den Neu- und Ausbau von Autostrassen. Für das Militär gibt die Bundeskasse pro Jahr rund 5 Milliarden aus. 6 Milliarden sollen die neuen Abfangjäger kosten, die auf dem Wunschzettel der Militärs stehen. 1,1 Milliarden pro Jahr verschenkt der Bund pauschal und ohne Gegenleistung an Bauern als «Beiträge für Versorgungssicherheit». Mit fast 200 Millionen pro Jahr finanziert er ihre Landwirtschaftsfahrzeuge mit. Insgesamt zahlen Bund und Kantone jedes Jahr laut der Organisation Avenir Suisse 4,2 Milliarden Subventionen an die Landwirtschaft, in der rund 2 Prozent der Bevölkerung beschäftigt sind.
Preisüberwacher Stefan Meierhans plädierte Anfang Februar in seinem Internetblog für tiefere Preise im öffentlichen Verkehr in der Schweiz. «Gewisse Bevölkerungsgruppen sind sehr stark auf den öffentlichen Verkehr angewiesen und haben keine Ausweichmöglichkeiten», heisst es dort. Besonders beunruhigend sei, dass sich die preisliche Schere zwischen Privatverkehr und ÖV in den letzten Jahren immer weiter zuungunsten des öffentlichen Verkehrs geöffnet habe.
Das bestätigt ein Rentner in seinem Kommentar zum Blog: «Der liebe öffentliche Verkehr ist mit einer kleinen Rente nicht finanzierbar. Das Generalabo für ein Rentnerehepaar kostet fast 6000 Franken.» Das Auto komme ihn billiger.