Wenig Kohlenhydrate, viel Fleisch und viele Milchprodukte: Lange Zeit war die Low-Carb-Diät umstritten. Fachleute kritisierten, man esse dabei zu viel Fett, das schade dem Herz. Vor allem für Diabetespatienten könne das gefährlich sein.
Doch nun kommt eine Studie im Fachblatt «British Medical Journal» zu einem gegenteiligen Schluss: Für Patienten mit Diabetes Typ 2 sei die Low-Carb-Diät besonders empfehlenswert. Die englischen Forscher untersuchten rund 1400 Teilnehmer im Alter zwischen 47 und 67 Jahren. Diese assen maximal 130 Gramm Kohlenhydrate pro Tag. Das ist weniger als die Hälfte der täglichen Menge, die allgemein empfohlen wird.
Nach einem halben Jahr waren die Studienteilnehmer im Durchschnitt dreieinhalb Kilogramm leichter, und auch ihre Blutzuckerwerte hatten sich verbessert. Die Autoren der englischen Studie fanden bei den Teilnehmern keine Hinweise auf schädliche Effekte.
Für Patienten mit Diabetes Typ 2 besonders günstig
Für Fachleute sind diese neuen Befunde plausibel. Der Basler Diabetes- Spezialist Ulrich Keller sagt, dass ein Versuch mit dieser Diät durchaus sinnvoll sei. Auch der Zürcher Hausarzt Thomas Walser empfiehlt die Low-Carb-Diät. Sie sei für Patienten mit Diabetes des Typs 2 besonders günstig. Der Grund: Der Körper braucht viel Insulin, um Kohlenhydrate zu verarbeiten. Und bei Menschen mit Diabetes Typ 2 produziert die Bauchspeicheldrüse nicht mehr genug Insulin, oder der Körper kann es nicht mehr wirksam verwenden.
Ein weiterer gesunder Effekt der Low-Carb-Diät ist der Gewichtsverlust. Die österreichische Ernährungswissenschafterin Elisabeth Pail sagt: «Diabetes-Patienten können mit der Low-Carb-Diät besser abnehmen als mit einer Low-Fat-Diät.»
Letztes Jahr zeigte eine Studie in der Fachzeitschrift «BMJ Nutrition, Prevention & Health» mit rund 500 Teilnehmern aus England, dass Low Carb auch langfristig erfolgreich ist: Nach sechs Jahren waren die Studienteilnehmer im Durchschnitt acht Kilogramm leichter. Und ihr Blutzuckerwert war um 17 Punkte gesunken.
So funktioniert das Tellermodell
Die Ernährungsberaterin Corinne Erb vom Kantonsspital Baselland sagt, für viele Leute sei es bereits ein Fortschritt, wenn sie sich an das Tellermodell halten würden. So ernähre man sich ebenfalls mit weniger Kohlenhydraten. Das Prinzip: Man füllt den Teller zur Hälfte mit Gemüse und zu je einem Viertel mit Kohlenhydraten und Eiweiss («Gesundheitstipp» 10/2019). Ausserdem müsse man auf Süssgetränke verzichten und dürfe nur wenig gezuckerte Produkte essen.
Gemäss der Studie in der Fachzeitschrift «BMJ Nutrition, Prevention & Health» muss man nicht genau ausrechnen, wie viele Kohlenhydrate man pro Tag essen darf. Die Forscher empfehlen, Lebensmittel mit vielen Kohlenhydraten wie zum Beispiel Frühstückscerealien, Reis oder Kartoffeln mit Gemüse und Eiweiss zu ersetzen.
Elisabeth Pail sagt, die optimale Kohlenhydratmenge sei individuell unterschiedlich: «Nur wenn eine Ernährungsform gut an die persönlichen Vorlieben angepasst ist, kann man sie auch dauerhaft umsetzen.»
Pail empfiehlt, Kohlenhydrate zu wählen, die den Blutzucker langsam ansteigen lassen. Dazu gehören Lebensmittel wie Vollkornbrot, Hülsenfrüchte, Rüebli und Obst. Diese Produkte sättigen länger. Verzichten sollte man dagegen auf Produkte, die den Blutzucker rasch ansteigen lassen – also auf Weissbrot, Zucker oder Alkohol.
Heilen könne man Diabetes Typ 2 auf diese Weise zwar nicht, sagt Elisabeth Pail. Dank gesundem Essen und viel Bewegung könne man aber die Insulinresistenz und die Blutzuckerwerte verbessern.
Davon profitierten auch die Teilnehmer der in der Zeitschrift «BMJ Nutrition, Prevention & Health» veröffentlichten britischen Studie: Einige Patienten konnten die Dosis ihrer Medikamente reduzieren oder sogar ganz darauf verzichten.