Wer Zahlenlotto spielt, beim Sporttoto wettet oder ein Millionenlos kauft, hofft auf einen fetten Gewinn. Doch längst nicht alles Geld wird ausbezahlt. Im letzten Jahr hat die Deutschschweizer Landeslotterie Swisslos rund 600 Millionen Franken als Gewinne an die Spieler ausgeschüttet. Das sind nur 54 Prozent des Umsatzes.
Wer leer ausgegangen ist, kann sich damit trösten, dass das verspielte Geld zumindest einem guten Zweck dient. Das Bundesgesetz betreffend Lotterien schreibt vor, dass der Swisslos-Reingewinn für gemeinnützige und wohltätige Zwecke eingesetzt wird.
Verteilung der Gelder: Jeder Kanton macht, was er will
Dieser Reingewinn betrug im letzten Jahr 327 Millionen Franken. Das Geld erhalten die Lotterie- und Sportfonds der 19 Deutschschweizer Kantone, des Kantons Tessin und des Fürstentums Liechtenstein. Weitere 27 Millionen Franken gingen an nationale Sportverbände (Swiss Olympics, Sporthilfe, Fussball, Eishockey).
Wie viel ein Kanton erhält, ist abhängig von der Grösse der Bevölkerung und der Zahl der verkauften Lottoscheine. Die Unterschiede sind gross: Am meisten erhielt 2011 der Kanton Zürich, am wenigsten Appenzell Innerrhoden.
Ob und wie die Gelder dann weiterverteilt werden, entscheiden die Kantone. Klar ist: Unterstützt werden müssten mit dem Geld gemeinnützige Projekte aus den Bereichen Kultur, Sport, Umwelt und Soziales. Was gemeinnützig und unterstützungswürdig ist und wer für die Vergabe zuständig ist, regelt jeder Kanton selber.
Der Kanton Zürich bunkert zurzeit 422,3 Millionen Franken
An der Verteilung der Gelder scheinen viele Kantone zu scheitern. Statt das Geld für gemeinnützige Organisationen, Kultur und Sport auszugeben, horten sie hohe Summen. Die saldo-Recherche ergab: Der Vermögensbestand aller kantonalen Swisslos-Fonds betrug Ende 2011 sagenhafte 843 Millionen Franken. Die Reserven der kantonalen Fonds betrugen im letzten Jahr das 2,6-Fache der Einnahmen.
Mit Abstand am meisten Geld behält der Kanton Zürich zurück. Er hat im Lotterie- und Sportfonds nicht weniger als 422,3 Millionen Franken angehäuft. Der Betrag stieg in den letzten Jahren stetig. Die von Swisslos an den Kanton ausbezahlten Gelder überstiegen die ausgeschütteten Beträge bei weitem. Im Jahr 2011 etwa erhielt der Kanton Zürich 77,7 Millionen Franken von Swisslos – ausbezahlt hat er aber lediglich 49,2 Millionen. Mittlerweile haben die Zürcher das 5,4-Fache der letzten Jahrestranche von Swisslos gebunkert.
Auch die Swisslos-Fonds anderer Kantone sind völlig überdotiert. Solothurns Reserven sind 3,8 Mal so hoch wie die Jahreseinnahmen 2011, im Kanton Aargau liegt das Verhältnis bei 2,6, in Zug bei 2,5 und in Schwyz bei 2,3 (siehe Tabelle auf Seite 11).
So hohe Reserven zurückzulegen ist unnötig und widerspricht dem Zweck der Lotteriegelder. Das Anlegen ist auch nicht im Interesse der Bevölkerung: Es macht keinen Sinn, wenn Kantone der Bevölkerung die vorhandenen Gelder für die Kultur-, Sozial- und Sportförderung de facto vorenthalten.
Den hohen Bestand rechtfertigt Roger Keller, Sprecher des Zürcher Finanzdepartements, mit der nicht voraussehbaren Steigerung der Swisslos-Erträge sowie der Verzögerung oder dem Wegfall von budgetierten Grossvorhaben. Beispielsweise habe sich die Auszahlung von 10 Millionen Franken zugunsten des Schweizerischen Landesmuseums wegen Beschwerden verzögert. Keller sagt auch, dass die Voraussetzungen, die Organisationen erfüllen müssen, um Beiträge zu erhalten, keineswegs zu restriktiv seien.
Die Bewilligung von Projektzuschüssen über 500 000 Franken liegt in der Kompetenz des Zürcher Kantonsrates. Was darunter liegt, kann die Regierung selbst entscheiden. Pro Jahr darf der Regierungsrat insgesamt 10 Millionen Franken bewilligen.
Solothurn will auch mehrjährige Projekte schultern können
Der Kantonsrat könnte die Limite für die Regierung per Gesetzesänderung erhöhen. Jean-Philippe Pinto (CVP), Präsident der Finanzkommission, hört von saldo allerdings zum ersten Mal von diesem Problem: «Falls die Regierung mit den rechtlichen Bestimmungen ein Problem hat, soll sie eine Gesetzesänderung beantragen.»
An Bewerbungen für Fördergelder aus dem Lotteriefonds mangelt es nicht. Das geben auch andere Kantone zu. Aber der Kanton Solothurn zum Beispiel begründet seine Reserven damit, dass auch grosse, mehrjährige Projekte geschultert werden können.
Der Kanton St. Gallen zeigt, dass es auch anders geht
Mit zugesicherten, aber noch nicht ausbezahlten Beiträgen sowie Grossprojekten rechtfertigt der Kanton Schwyz seine überdotierten Swisslos-Fonds. Für «vernünftig» hält der Kanton Zug die Höhe seiner Reserven. So würden bei entsprechenden Gesuchen auch grössere Beträge zur Verfügung stehen. Lediglich der Kanton Aargau will seine Lotteriefonds auf die Höhe einer mittleren Jahresausgabe senken. Damit bewahre sich der Regierungsrat einen Handlungsspielraum für ausserordentliche Grossprojekte. Manuel Richard, Geschäftsführer der Eidgenössischen Lotterie- und Wettkommission Comlot, findet es «heikel», dass einige Kantone ihre Swisslos-Ausschüttungen mehrere Jahre lang horten. Die Comlot ist primär dafür zuständig, Lotterie- und Wettspiele zu bewilligen und zu beaufsichtigen. Sie fühlt sich aber auch verantwortlich zu klären, wie es zu derartigen Geldanhäufungen gekommen ist. Laut Richard plant die Comlot, bei den betroffenen Kantonen vorstellig zu werden und anschliessend Empfehlungen für den Reservenabbau auszusprechen.
Es gibt aber auch Kantone, bei denen die Reserven eine überschaubare Höhe aufweisen. In den St. Galler Fonds etwa liegen bloss 60 Prozent der letztjährigen Swisslos-Auszahlung. «Was an gemeinnützigen Geldern vorhanden ist, soll auch wirklich vergeben werden. Das wird von politischer Seite sehr gestützt», sagt Katrin Meier, Leiterin des Amtes für Kultur.
Auch der Kanton Schaffhausen hat nur 50 Prozent der Ausschüttungen von 2011 auf dem Konto. Meinrad Gnädinger von der Finanzverwaltung meint: «Eine kleine Ausgleichsreserve genügt.»
Von Trachtenhosen bis zur Afrika-Hilfe
Die Kantone müssen ihre Anteile aus den Swisslos-Gewinnen für gemeinnützige und wohltätige Zwecke einsetzen. Das schreibt der Bund vor. Was darunter verstanden wird, ist je nach Kanton sehr unterschiedlich (saldo 1/10). Im letzten Jahr wurden 12 000 Projekte unterstützt. Sie reichen von den neuen Trachtenhosen für den Jodlerclub Bärgblueme über einen Beitrag ans Open-air Hohen Rätien bis hin zur Glückskette-Soforthilfe für Japan und Nordafrika. Zu den Empfängern gehören auch zahlreiche Sportvereine, die sich über Zuschüsse für neue Geräte freuen dürfen.
Der Kanton Aargau unterstützte mit Lotteriegeldern die kantonale Tourismuskampagne. Und für den Thurgau erfüllen die Digitalisierung des Schlosskinos in Frauenfeld oder der Besuch einer Arboner Schulklasse im Sauriermuseum Aathal ZH ebenfalls die Kriterien. Für den Kanton Zürich ist sogar ein Beitrag an die Staatskanzlei zur Bestellung einer 1.-August-Feier in Stuttgart etwas Gemeinnütziges. Einige Kantone verteilen die Gelder strikt nur an einmalige Projekte, andere richten regelmässige Betriebsbeiträge an Organisationen aus. So erhalten in Schaffhausen der Verein Kinderbetreuung oder das Weinbaumuseum jedes Jahr Geld.
Die Durchsicht der Projekte zeigt auch, dass überkantonale Vorhaben durchaus Chancen haben, an mehreren Orten Geld abzuholen. Beispielsweise ist der Autor Martin Arnold aus St. Gallen für sein Buchprojekt «Die schönsten Naturparadiese in der Schweiz» vom Bündner und vom Aargauer Lotteriefonds beglückt worden. Sogar ausländische Projekte haben Chancen auf Gelder: Der Thurgau hat dem jüdischen Museum im deutschen Gailingen bei der Einrichtung einer Dauerausstellung finanziell geholfen.
Beim Vergleich der Projektlisten fällt auf: Der Kanton Zürich, der am meisten Geld zu verteilen hätte, weist verhältnismässig wenig Empfänger aus. Aus dem Lotteriefonds gingen im letzten Jahr Gelder für kulturelle Projekte nur gerade an 66 Organisationen. Der kleine Kanton Schaffhausen hingegen hat 261 Empfänger aus den Bereichen Kultur, Soziales und Umwelt begünstigt. Das zeigt: Der Kanton Zürich ist bei der Vergabe von Swisslos-Geldern zu restriktiv.
Verteilung: So kommen Sie an Gelder aus dem Lotteriefonds
Zuständig für die Verteilung der Lotteriegelder sind die Kantone. In jedem Kanton sind die Vergabekriterien unterschiedlich. Bei allen aber gilt: Das Geld sollte für Projekte in den Bereichen Kultur, Sport, Umwelt und Soziales verwendet werden. Einen Antrag auf finanzielle Unterstützung stellen kann grundsätzlich jedermann, auch Gruppen und Vereine, ja selbst Unternehmen. Der Kanton Zürich allerdings schränkt die Vergabe ein: Er behandelt nur Anträge von Organisationen.
In den meisten Kantonen sind die von Swisslos gespeisten Fonds aufgeteilt: in einen Lotteriefonds und einen Sportfonds. Je nach Kanton gehen zwischen 18 und 30 Prozent der ausgeschütteten Gelder an den Sport. Entsprechend sind in einem Kanton zwei – oder noch mehr – Stellen für die Gesuche um Unterstützung zuständig. Im Sportbereich werden in der Regel nicht nur einmalige Projekte subventioniert, sondern auch allgemeine Fördergelder an Verbände ausgerichtet.
Auf den Internetseiten der Kantone finden sich Merkblätter für Gesuche an den Lotteriefonds. Zu den einzureichenden Unterlagen gehören:
- eine Dokumentation, worin das geplante Projekt (Herausgabe eines Buches, Konzerte, Sportveranstaltung etc.) umfassend beschrieben wird
- ein detailliertes Budget
- ein Antrag auf einen bestimmten Unterstützungsbetrag
- Informationen über die gesuchstellende Organisation.
Grundsätzlich sollten die Projekte zum Voraus eingereicht werden und einen Bezug zum jeweiligen Kanton aufweisen. Bei überkantonalen Projekten kann man Gesuche in mehreren Kantonen stellen.
Vor dem Einreichen der Unterlagen empfiehlt es sich, mit den zuständigen Stellen Kontakt aufzunehmen und die Chancen des Projektes abzuklären. Im Kanton Zürich beispielsweise sind im letzten Jahr von den 430 eingereichten Gesuchen gegen die Hälfte abgelehnt worden. Nicht etwa wegen des Geldes, sondern weil allgemeine Voraussetzungen nicht erfüllt waren (zu lokales Anliegen, Betriebs- statt Projektbeitrag oder fehlende Gemeinnützigkeit).