Das Problem: Die Statistiker haben im Wohlstandsbericht des Bundesrates nicht die Bruttolöhne von Einzelpersonen untersucht, sondern das Einkommen aller in einem Haushalt lebenden Personen. Zu den Erwerbseinkommen hinzugezählt wurde das erwirtschaftete Einkommen aus Vermögen, etwa Sparzinsen oder Aktiendividenden.
Beim Haushaltseinkommen mitberechnet haben die Statistiker auch die Renten der AHV/IV und der 2. Säule, sowie Sozialleistungen wie Ergänzungsleistungen, Taggelder, Mietzuschüsse, Stipendien und Zahlungen der Sozialhilfe. Das alles ergibt das sogenannte «Bruttohaushaltseinkommen».
Das durchschnittlich verfügbare Nettoeinkommen pro Haushalt beträgt laut Caterina Modetta vom Bundesamt für Statistik 6766 Franken. «Werden die obligatorischen Ausgaben in Höhe von 2799 Franken hinzugezählt (Steuern, Sozialversicherungs- und obligatorische Krankenkassenbeiträge), ergibt dies das Bruttohaushaltseinkommen von 9565 Franken.»
Diese in den Medien weit verbreitete Summe sagt jedoch nichts darüber aus, wie viel Einzelpersonen verdienen. Für Daniel Lampart, Chefökonom des Gewerkschaftsbunds, kommt stossend hinzu, dass die Zahlen «aus einer relativ bescheidenen Stichprobengrösse von 3000 Haushalten gezogen wurden».
Tieflöhne sind in den letzten Jahren deutlich gesunken
Wer seine Lohnhöhe im Vergleich zu andern einschätzen will, tut dies am besten mit den Löhnen aus der Erhebung des Bundesamts für Statistik zur Lohnstruktur. Die aktuellsten Zahlen stammen von 2012. Damals lag der Medianwert bei brutto 6118 Franken (bei zwölf Monatslöhnen). Das heisst: die Hälfte der Löhne liegt über diesem Wert, die andere darunter.
In der Erhebung des Bundesamts steht auch, dass zwischen 2010 und 2012 die Reallöhne der untersten 10 Prozent der Angestellten um 286 Franken pro Jahr gesunken sind. Betroffen sind die Einkommen der Angestellten mit weniger als 3886 Franken Bruttolohn pro Monat.
Ganz anders sieht es an der Spitze der Pyramide aus. Dort stiegen die Reallöhne der obersten 10 Prozent seit 2010 um 9901 Franken pro Jahr.
In diesem Bereich werden im Durchschnitt Monatslöhne von über 11 512 Franken gezahlt. Daniel Lampart: «Damit hat sich die in den letzten 15 Jahren festgestellte ungleiche Lohnverteilung in der Schweiz weiter verschärft. Wer heute gut verdient, verdient noch mehr. Wer mit dem Lohn eh schon kaum über die Runden kommt, hat noch weniger.»