Serge Gaillard, Direktor der Eidgenössischen Finanzverwaltung, sagte jüngst in einem Interview mit der NZZ: Jede Vorlage, die der Bundesrat ins Parlament schicke, komme dort viel teurer heraus. Und gab gleich ein Beispiel: «Spektakulär war das bei der Bahnvorlage Fabi: Ihre Kosten stiegen von 3,5 auf 6,4 Milliarden Franken.» Der Grund: Die Vorlage wurde im Parlament zum Wunschkonzert der Regionen.
Das ist kein Einzelfall. Je grösser die Summen, desto grosszügiger der Umgang des Parlaments mit den Steuergeldern.
Jüngstes Beispiel: das Kampfflugzeug Gripen. Der Bundesrat und das Parlament möchten 22 dieser Jets des schwedischen Unternehmens Saab kaufen – als Ersatz für die veraltete Tiger-Flotte. Kostenpunkt: 3,126 Milliarden Franken. Zusammen mit den 32 F/A-18-Jets hätte die Schweizer Armee dann 54 Kampfflugzeuge.
Der Bundesrat hatte den Gripen-Kauf im November 2011 beschlossen. Letzten September stimmte auch die Mehrheit des Parlaments zu – der Nationalrat mit 113 : 68 Stimmen bei 6 Enthaltungen, der Ständerat mit 27 : 17 Stimmen.
Das Parlament sagte nicht nur Ja zum Kauf, sondern auch zur Finanzierung über den eigens zu schaffenden Gripen-Fonds. Das ist entscheidend, weil diese Sonderfinanzierung dem Referendum untersteht. Im Dezember wurden dafür über 100 000 Unterschriften eingereicht. Nun darf das Stimmvolk am 18. Mai über den Gripen-Fonds abstimmen.
Anschaffung macht nur knapp einen Drittel der Gesamtkosten aus
Dabei geht es nicht nur um den Anschaffungspreis für die 22 Flieger von 3,126 Milliarden. Hochgerechnet auf 35 Lebensjahre und auf der Basis des Kampfflugzeugs F/A-18 kosten die Flieger samt Instandhaltung, Betrieb und Nachrüstung über 10 Milliarden Franken. Das ergeben Berechnungen von Gripen-Kritikern der SP, der Grünen und der Gruppe für eine Schweiz ohne Armee.
Das Militärdepartement sagt dazu: «Der Betrieb der Gripen kostet pro Jahr rund 100 Millionen Franken. Bei Kampfflugzeugen ist es normal, dass über die ganze Einsatzdauer von rund 30 Jahren neue Ausrüstungen dazukommen. Darüber muss das Parlament jedoch fallweise entscheiden.»
Die vorgesehene Finanzierung des Gripen zeigt, dass das Militär im Geld schwimmt. Zehn Jahre lang soll der Gripen-Fonds mit Zahlungen von 300 Millionen jährlich aus dem Armeebudget geäufnet werden.
Als Startkapital bringt die Armee schon mal 1058 Millionen Franken ein. Bei diesem Geld handelt es sich um nicht aufgebrauchte Kredite der letzten Jahre. Das heisst: Das Militär hatte regelmässig mehr Geld zur Verfügung, als es brauchte. 2010 lagen die Ausgaben knapp eine halbe Milliarde Franken unter dem Budget, 2011 waren es 367 Millionen und 2012 total 258 Millionen – das sind alles Gelder, die grosszügig dem Armeebudget zugesprochen wurden, ohne dass offenbar ein Bedarf dafür bestand. Und die übrigblieben, obwohl das Departement Auftragnehmer Ende Jahr aufrief, Rechnungen für Arbeiten des nächsten Jahres schon zum Voraus zu stellen.
Der Geldsegen hatte groteske Folgen. Laut der «Sonntags-Zeitung» rief ein Beamter des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz in einem Rapport zu Zivilschutzanlagen die Vertreter von Kantonen und Gemeinden im Herbst 2013 auf, die bereitgestellten Millionen endlich abzuholen. Er warnte: Der Baukredit «von 10 Millionen Franken pro Jahr wird nicht ausgeschöpft!!!» Es bestehe die Gefahr, dass der Kredit vom Finanzdepartement gekürzt werde. Als Massnahme empfahl er, Projekte sofort einzureichen und ausführen zu lassen. Und obwohl der Bedarf an Erneuerungs- und Abbruchprojekten bei Schutzbauten offensichtlich gering ist, verlangte der Beamte: «Es muss rasch ein Kostenüberhang von 30 Millionen geschaffen werden.»
Geld fürs Fliegen scheint im Militärdepartement ohnehin genügend vorhanden zu sein. Von 2010 bis 2012 finanzierte es für seine Angestellten nicht weniger als fast 10 000 Reisen. Die Vielfliegerei in Ueli Maurers Departement kostete den Steuerzahler in dieser Zeit über 12 Millionen Franken.
Das Parlament ist noch ausgabefreudiger als der Bundesrat
Das Parlament zeigt sich gegenüber der Armee noch grosszügiger. Es sagte nicht nur Ja zum Gripen, sondern sprach der Armee auch noch mehr Geld zu. Das jährliche Militärbudget wird für 2014 und 2015 von heute 4,4 auf 4,7 Milliarden und ab 2016 gar auf 5 Milliarden erhöht werden. Lange wehrte sich der Bundesrat dagegen. Dann gab er klein bei. Der Bundesrat hätte die Grenze eigentlich bei 4,7 Milliarden Franken setzen wollen.
Solch grosszügiges Budgetieren ist kein Problem, weil jedes Jahr mehr Geld in die Bundeskasse fliesst – dank steigender Steuereinnahmen. saldo-Berechnungen zeigen: Die Bevölkerung zahlt heute in der Schweiz unter Berücksichtigung von Teuerung und Bevölkerungswachstum real 28 Milliarden Franken mehr Steuern als vor zwanzig Jahren (siehe Ausgabe 1/14). Und die Finanzrechnung des Bundes schliesst jedes Jahr deutlich besser ab als budgetiert. Für das vergangene Jahr rechnete man zum Beispiel mit einem Defizit von 400 Millionen Franken. Tatsächlich resultierte ein Überschuss von 1,3 Milliarden Franken. Das war auch in den vorhergehenden Jahren so.
Klar ist: Je mehr Geld im Bundestopf ist, desto grosszügiger sind Bundesrat und Parlamentarier beim Ausgeben. Fabi und Gripen machen deutlich, dass jede Interessengruppe versucht, für sich das Maximum herauszuholen. Laut einem Bericht der Eidgenössischen Finanzverwaltung besteht die Gefahr, dass wegen der vielen teuren Vorlagen in den nächsten Jahren ein Loch in der Kasse droht – in der Höhe von mindestens 5,6 Milliarden Franken. «Wahrscheinlich ist es nach sieben Jahren mit Überschüssen ganz normal, dass man glaubt, alles sei finanzierbar», sagt Gaillard dazu.
Finanzrechnung des Bundes: Jahr für Jahr Mehreinnahmen
Seit 2006 nimmt der Bund jedes Jahr deutlich mehr ein als geplant. Sprich: Die Steuerzahler werden unnötig zur Kasse gebeten. Philipp Rohr, Sprecher der Finanzverwaltung, sagt dazu: «Die Konjunktur war in den letzten Jahren besser als prognostizert, was zu Mehreinnahmen führte.»