Der Saal im zweiten Stock des Bezirksgerichts Horgen bietet eine prächtige Aussicht auf den Zürichsee. Weniger schön verlaufen die Vergleichsgespräche zwischen dem Kläger und dem Beklagten. Am Schluss wird die Auseinandersetzung sogar richtig gehässig.
Verhandelt wird an diesem Nachmittag eine Forderung in der Höhe von 1782 Franken. Ein Automechaniker aus dem Kanton Solothurn klagt gegen einen Lebensmitteltransporteur aus dem Bezirk Horgen ZH. Der Mechaniker sollte das defekte Fahrzeug des Beklagten für 2400 Franken reparieren. Das vereinbarten die beiden im März 2021. Im Zuge der Arbeiten stellte sich heraus, dass die Reparatur 382 Franken teurer würde. Auch darüber konnten sich die beiden telefonisch einigen. Der Kunde überwies dem Mechaniker in der Folge 1000 Franken. Die restlichen 1782 Franken waren am Tag, an dem der Beklagte das Auto abholen wollte, nicht auf dem Konto des Mechanikers.
Am Abholtermin eskalierte die Situation: Die Steuerung der Federung war defekt und der Kleinbus wies weitere Unzulänglichkeiten auf. «Das waren aber Probleme, die erst auftraten, nachdem ich das Auto wieder zum Laufen gebracht hatte», sagt der Kläger. «Mein Auftrag bestand nur in der Instandsetzung des Fahrzeugs.»
Der Beklagte sieht das anders: Man habe vereinbart, dass der Mechaniker das Auto für die obligatorische Vorführung beim Strassenverkehrsamt fit mache. Dieser Auftrag sei nicht erfüllt worden. Die Zusammenarbeit mit dem Kläger sei ein einziges Ärgernis gewesen. So habe er den Kleinbus trotz mehrerer Nachfragen erst im vergangenen Juli aus der Werkstatt abholen können – rund vier Monate nach der Übergabe. Vor Ort habe er dann bemerkt, dass das Auto nicht vorführtauglich war. Daraufhin sei er wütend ohne das Auto von dannen gezogen und habe dem Mechaniker eine Mängelrüge geschickt. Zum Zeitpunkt der Verhandlung hatte er das Auto noch immer nicht zurück. «Und ohne Auto kann ich nicht arbeiten», sagt er.
Nach den Plädoyers der beiden Parteien erläutert der Richter seine Einschätzung. Die Beweislast für die Höhe der Forderung liege beim Automechaniker. Da die Vereinbarungen bloss telefonisch erfolgt seien, trage dieser ein erhebliches Prozessrisiko. Der Vorschlag des Richters: Der Beklagte soll statt den verlangten 1782 Franken nur 350 Franken bezahlen.
«Jetzt werde ich als Gauner dargestellt»
Die Parteien sind mit der vorgeschlagenen Lösung grundsätzlich einverstanden. Doch die Details sorgen für Zündstoff: Muss der Beklagte das Auto in der Werkstatt des Klägers abholen oder hat der Mechaniker das Fahrzeug an den Wohnort des Beklagten zu bringen? Und wie soll die Rechnung bezahlt werden? Bar, per Banküberweisung oder in der Parallelwährung WIR, wie es der Beklagte will? Gehässig wird es, als der Mechaniker die Frage aufwirft, ob ein allfälliger Check denn überhaupt gedeckt sei. «Jetzt werde ich als Gauner dargestellt, wo doch der Kläger der Gauner ist», ärgert sich der Beklagte.
Der Richter greift zu einer unkonventionellen Methode. Er ruft aus dem Gerichtssaal heraus den Kundenberater der WIR-Bank an und lässt diesen via Telefonlautsprecher bestätigen, dass das Konto des Beklagten gedeckt ist.
Auch sonst zieht der Richter alle Register. Er schmeichelt: «Sie beide sind ja Geschäftsleute.» Oder er tadelt die Parteien: «Langsam habe ich Mühe mit Ihnen!»
Am Ende geben die Parteien nach. Der Beklagte zahlt dem Kläger 600 Franken, der Kläger verpflichtet sich zum Rückzug der Betreibung.
Mängel müssen innerhalb von Tagen gerügt werden
Gemäss Gesetzmuss eine Reparatur nach der Übernahme des Autos umgehend geprüft und allfällige Mängel müssen sofort gemeldet werden. Gemäss Rechtsprechung des Bundesgerichts heisst das innerhalb von ein paar wenigen Tagen. Aus Beweisgründen empfiehlt sich für die Reklamation ein eingeschriebener Brief.