Lifeplus-Produkte: Teuer und überdosiert
Die Firma Lifeplus vertreibt Nahrungsergänzungsmittel, die in der Schweiz gar nicht zugelassen sind.
Inhalt
saldo 07/2010
11.04.2010
Letzte Aktualisierung:
12.04.2010
Mirjam Fonti
Die Einladung der Nachbarn tönte verheissungsvoll: «Kommt doch heute zum Abendessen vorbei, wir möchten gerne mit Euch über eine Möglichkeit für Eure Zukunft sprechen.» Umso grösser war die Ernüchterung für Familie Kerner (Name geändert) aus dem Raum Winterthur, als sich herausstellte, dass es den Nachbarn nur darum ging, ihnen teure Vitaminprodukte anzudrehen und sie zu deren Vertrieb zu animieren.
Die Firma Lifeplus v...
Die Einladung der Nachbarn tönte verheissungsvoll: «Kommt doch heute zum Abendessen vorbei, wir möchten gerne mit Euch über eine Möglichkeit für Eure Zukunft sprechen.» Umso grösser war die Ernüchterung für Familie Kerner (Name geändert) aus dem Raum Winterthur, als sich herausstellte, dass es den Nachbarn nur darum ging, ihnen teure Vitaminprodukte anzudrehen und sie zu deren Vertrieb zu animieren.
Die Firma Lifeplus vertreibt Nahrungsergänzungsmittel. Dabei setzt sie auf den Verkauf via Freunde und Bekannte. Diese sollen überzeugt werden, dass es nur dank der in Lifeplus-Produkten enthaltenen Nahrungsergänzungsmittel möglich sei, die täglich «erforderlichen Nährstoffe für ein optimales Wohlbefinden» aufzunehmen.
Lifeplus empfiehlt Kunden, 2 bis 3 der über 50 angebotenen Nahrungsergänzungsmittel miteinander zu kombinieren. Neben den Hauptprodukten zur «Unterstützung der allgemeinen Gesundheit» (Daily Bio-Basics) und zum «Schutz der Zellen vor freien Radikalen» (Proanthenols 100) gibt es Produkte für Augen, Haut, Verdauungstrakt, Knochen, Herz, Kreislauf oder den anspruchsvollen Lebensstil.
Ein Blick auf die Zutatenliste von Daily Bio-Basics zeigt: Die Menge der Vitamine liegt teils weit über der empfohlenen Dosierung für die tägliche Einnahme. «Vor allem bei den fettlöslichen Vitaminen A, D und E sollte man vorsichtig sein mit erhöhten Dosen», sagt Ines Egli vom Institut für Lebensmittelwissenschaften, Ernährung und Gesundheit der ETH Zürich.
Deutlich höher dosiert als erlaubt
Der Grund: Fettlösliche Vitamine können nicht über die Nieren ausgeschieden werden. Sie werden in der Leber gespeichert. Die Folgen bei täglich hohen Dosen von Vitamin E können Kopfschmerzen, Übelkeit, Schwindel und Muskelschwäche sein.
Die in der Schweiz für Erwachsene zugelassene Tagesdosis für Vitamin E beträgt laut der Verordnung über Speziallebensmittel 12 Milligramm – allein in einer Tagesration Daily Bio-Basics finden sich 82,5 Milligramm. Auch die Vitamine B und C sind bis sechsmal höher dosiert, als es die Verordnung zulässt.
Auf Anfrage gibt Lifeplus an, man habe mit Spezialisten abgesichert, dass die in der Schweiz erhältlichen Produkte den Vorgaben der Verordnung über Speziallebensmittel entsprechen. Das stimmt aber nicht. Laut Sabina Helfer vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) sind zum Beispiel Daily Bio-Basics und Proanthenols 100 bewilligungspflichtig. Doch keines der Produkte verfügt über eine Bewilligung des BAG. Viele der Lifeplus-Nahrungsergänzungsmittel sind somit in der Schweiz nicht zugelassen.
Lebensmittelgesetz clever umgangen
Diesen Mangel weiss die Firma zu umgehen. Die Mitarbeiter empfehlen die Produkte nur, bestellen muss der Kunde sie jedoch selber in Grossbritannien. Deshalb hat die Firma keine Konsequenzen zu befürchten. Denn beim Import von Produkten für den Eigenverbrauch gilt das Lebensmittelgesetz nicht.
Das Vertriebssystem erspart dem Unternehmen zudem die Werbekosten für die teuren Produkte. Wer zum Beispiel Daily Bio-Basics und Proanthenols 100 bestellt, zahlt pro Person und Monat umgerechnet 170 Franken. Sollen Partner und Kinder die Produkte ebenfalls einnehmen, beläuft sich die Rechnung einer vierköpfigen Familie auf über 500 Franken pro Monat.
Die horrend hohen Preise sorgen dafür, dass Kunden motiviert werden, selbst weitere Kunden zu gewinnen. Durch Weiterempfehlungen verringert sich nämlich der Preis für die eigenen Produkte. Der Bonus beträgt 5 Prozent auf den Umsatz der angeworbenen Besteller. Das bedeutet: Wenn ein Besteller drei Freunde motivieren kann, ebenfalls für 170 Franken zu bestellen, spart er nurgerade 25 Franken auf seine Einkäufe ein. Werben diese Kunden wiederum neue Besteller, erhält man zusätzliche Prozente.