Stolze 8975 Franken kostet eine 16-tägige Reise des Medienkonzerns Tamedia nach Argentinien. Sie richtet sich an die Leser der «Sonntags-Zeitung» und der Berner Tageszeitung «Der Bund», kann aber von jedermann gebucht werden. Auf dem Programm der Tour durch den Norden Argentiniens stehen etwa Besuche auf zwei Weingütern, Stadtrundfahrten und die Besichtigung der berühmten Iguazu-Fälle. Als Fachreiseleiter ist ein Ethnologe dabei.
Wer diese Reise lieber ohne Gruppe und ohne Extras unternehmen will und selbst bucht, spart viel Geld. Das zeigt eine Kalkulation von saldo. Die gleich lange Reise mit der gleichen Fluggesellschaft und Hotels der gleichen Preiskategorie kostet für Selbstbucher weniger als die Hälfte, nämlich rund 3800 Franken. Das sind rund 5170 Franken weniger, als Tamedia für die Reise verlangt.
Mit der «Sonntags-Zeitung» für 7750 Franken in den Orient
Ähnlich die Differenz bei einer zwölftägigen Reise der «Sonntags-Zeitung» mit Nahostkorrespondent Michael Wrase nach Oman und in die Vereinigten Arabischen Emirate und deren Hauptstadt Abu Dhabi. Im Preis von 7750 Franken enthalten sind Halbpension, Landtransfers und zahlreiche Besichtigungen. Auf dem Programm steht auch eine Übernachtung im Wüstencamp mit Abendessen. Individuell gebucht würden Hotels und Flüge rund 2500 Franken kosten.
Die NZZ-Mediengruppe bietet pro Jahr rund 60 Reisen an. Für eine zehntägige Leserreise des «St. Galler Tagblatts» nach La Gomera verlangt der Verlag 4320 Franken, inklusive Walbeobachtungstouren, Ausflügen und Vorträgen. Geleitet wird die Reise von einem Meeresbiologen. saldo kommt für Flug und Hotels auf Kosten von weniger als der Hälfte – nämlich rund 2000 Franken.
Eine NZZ-Reise nach Madrid und Toledo mit einem Kunsthistoriker kostet 2540 Franken. Enthalten sind Reiseleitung, Transfers im Bus, Besichtigungen und Ausflüge. Rund 1700 Franken günstiger fährt, wer individuell reist und nur Flug und Hotels bucht.
Extraleistungen rechtfertigen die hohen Preise nicht
Klar ist: Solche Preise zahlt nur, wer etwas Besonderes dafür bekommt. Die Verlage rechtfertigen die hohen Preise denn auch mit Extraleistungen. Diese gehen allerdings nicht gross ins Geld: Vorträge von Experten oder Besuche von Prominenten sind kaum Tausende von Franken wert. Die meisten vermittelten Informationen sind auch anderswo zu finden – in Büchern oder Internetblogs.
Die Ursache der überrissenen Preise: An den Leserreisen wollen zwei Unternehmen verdienen. Denn die Trips werden zwar von den Verlagen angeboten, Organisatoren sind aber externe Reisebüros. Die Argentinienreise von Tamedia stellte beispielsweise Atlas Reisen zusammen. Der Medienkonzern bekommt eine Provision, wenn er Kunden an das Reisebüro vermittelt.
Atlas-Geschäftsführer Felix Sandmayr rechtfertigt den hohen Preis für die Leserreise mit dem Mehrwert, den eine geführte Gruppenreise biete. «Die Reisenden brauchen sich um nichts zu kümmern», sagt er. Die für Atlas Reisen resultierende Marge sei bei den Leserreisen branchenüblich und betrage nur einen Bruchteil der von saldo errechneten Preisdifferenz.
Die Verlage bessern mit den Angeboten ihre Einnahmen auf. Die Tamedia gibt auf Anfrage zu: Die rund 75 Leserreisen pro Jahr würden «natürlich auch zum Jahresergebnis beitragen». Der Betrag sei aber nicht mit den Werbe- und Abo-Einnahmen vergleichbar. Auch die NZZ-Mediengruppe spricht von einem «Zusatzgeschäft, das sich als Leserbindungsinstrument» bewährt habe. Nur die Basler Zeitung Medien sagen, die jährlich sieben bis zwölf Leserreisen seien nicht relevant für den Verlagsertrag.