Lehrmittel aus Zürich: Teuer und unbeliebt
Der Zürcher Lehrmittelverlag bestimmt, wie in Primarschulen gelernt wird.
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saldo 10/2016
25.05.2016
Beni Frenkel
Vor einigen Jahren entwickelte der Zürcher Verlag ein neues Englisch-Lehrmittel für Primarschüler. Kostenpunkt: 16 Millionen Franken. Im vierköpfigen Autorenteam war nur eine Primarlehrerin. Das rächte sich. Die Lehrer lehnten das Lehrmittel ab – samt dazugehörigen CDs, Heften und Broschüren. Vor allem für schwächere Schüler sei es zu anspruchsvoll. Von Zürich bis Schaffhausen weigerten sich Schulen, das obligatorische Lehrmate...
Vor einigen Jahren entwickelte der Zürcher Verlag ein neues Englisch-Lehrmittel für Primarschüler. Kostenpunkt: 16 Millionen Franken. Im vierköpfigen Autorenteam war nur eine Primarlehrerin. Das rächte sich. Die Lehrer lehnten das Lehrmittel ab – samt dazugehörigen CDs, Heften und Broschüren. Vor allem für schwächere Schüler sei es zu anspruchsvoll. Von Zürich bis Schaffhausen weigerten sich Schulen, das obligatorische Lehrmaterial zu verwenden.
Mit Erfolg. Seit 2013 müssen die Lehrer nicht mehr mit diesen praxisfernen Lehrmaterialien arbeiten. Sie benutzen die bewährten Schulbücher aus dem deutschen Klett-Verlag. Auch die Schulgemeinden atmeten auf: Die Klett-Bücher kosten nur 900 Franken pro Jahr für eine Klasse mit zwanzig Kindern. Beim Zürcher Lehrmittel sind es 1500 Franken plus Lizenzgebühren für die Lernsoftware (Fr. 348.40 für einen Klassensatz für 25 Schüler). Und für die CD will der Verlag nochmals 11 Franken.
Derselbe Fehler beim neuen Mathebuch
Jetzt zeigt sich: Die Zürcher Bildungsbehörden haben nichts daraus gelernt. Im April erschien das neue Mathematikbuch des Lehrmittelverlages für die 6. Klasse. Auch hier sassen im 13-köpfigen Autorenteam nur zwei aktive Primarlehrerinnen. Herausgekommen ist ein teures Papiermonster. Buch, Hefte und Arbeitsblätter umfassen 464 Seiten. Seiten überspringen geht kaum, da der Inhalt aufbauend ist. Angefragte Lehrer sagten saldo, die neuen Lehrbücher seien zu komplex. Und zu teuer: Früher reichte ein Buch für 18 Franken pro Schüler. Ab nächstem Schuljahr müssen die Gemeinden für das Buch und die Hefte pro Schüler Fr. 39.60 zahlen. Dazu kommen Lizenzrechte für Fr. 348.40 pro Klassensatz.
Verlagsleiter Beat Schaller findet die Preise nicht zu hoch. Das neue Lehrmittel sei «bedürfnisgerecht».
Auch die Kantone Thurgau, Graubünden, Glarus und die beiden Appenzell verwenden in der Primarschule das Zürcher Mathelehrmittel. In der Sekundarschule lernen 13 Kantone damit.
Im Pisa-Test 2009 waren die Ausserrhoder Schüler im Fach Mathematik die besten in der Schweiz. Die Zürcher Kinder waren in der Deutschschweiz das Schlusslicht. Appenzeller lernten damals mit Büchern aus dem Klett-Verlag. Die Zürcher mit Lehrmitteln aus dem Zürcher Lehrmittelverlag.