Die Sonne scheint in den Stall. Zufrieden picken braune Legehennen vor einer idyllischen Landschaft in der Erde. «Glückliche Schweizer Hühner» hiess der Beitrag, den die «Tagesschau» am Ostersonntag zeigte. Darin ist von «Feng Shui im Hühnerstall» die Rede und von «glücklichen Hühnern für glückliche Ostereier».
Gallo Suisse, die Vereinigung der Schweizer Eierproduzenten, schreibt in einer Medienmitteilung an Ostern, dass 75 Prozent der Tiere in Freilandhaltung leben. «Statt in engen Käfigen zu sitzen, geniessen sie freien Ausgang auf dem Stallboden, picken und scharren und suchen sich für die Nachtruhe ihren Schlafplatz im Ruhebereich auf erhöhten Sitzstangen.»
Die österlichen Werbeoffensive der Branche beschönigt die Fakten: Legehennenbetriebe dürfen bis zu 18 000 Tiere halten. Laut Sabine Gebhardt von der Universität Bern haben bis zu 80 Prozent der Hennen ein gebrochenes Brustbein. Die Tiere schlafen gerne auf erhöhten Stangen. Doch die sind bis zu vier Meter über dem Boden befestigt. «Die Hühner stürzen im Gedränge zu Boden oder auf andere Tiere.» Die Bauern würden die Frakturen meist nicht bemerken, da die Hennen weiter Eier legen. Tanja Kutzer von KAG Freiland sagt: «Viele Legehennen leiden an Knochenschwund.» Auch gebrochene Beine und Flügel kämen vor. Viele Tiere litten zudem an Eileiterentzündungen.
Das Bundesamt für Veterinärwesen warnt vor Verhaltensstörungen. Hätten Hühner zu wenig Beschäftigungsmöglichkeiten, würden sie die Federn anderer Hennen ausreissen. Noch schlimmer sei es, wenn die Hühner mit dem Schnabel die Haut verletzen: «Blut ist für Geflügel attraktiv. Es kommt zu Kannibalismus.»
Nach 15 Monaten haben die Tiere ausgedient
Legehennen vollbringen in ihrem kurzen Leben Schwerstarbeit. Im letzten Jahr legten 2,6 Millionen Hennen 868 Millionen Eier. Das sind 330 Eier pro Huhn. Nach rund 15 Monaten haben sie ausgedient, obwohl sie über zehn Jahre alt werden könnten. Laut Gallo Suisse leidet die Eierqualität nach einem Jahr. Die Eier würden grösser, die Schale brüchiger: «Die Nachfrage nach Eiern von älteren Hennen ist beschränkt.»
Nadja Brodmann vom Zürcher Tierschutz wünscht sich eine längere Nutzung der Hennen. Praktisch alle Eierproduzenten wechseln die Tierbestände jedes Jahr. Dies verlange der Handel, um die Nachfragespitzen von Eiern an Ostern und Weihnachten besser planen zu können.
Leidvoller Weg ins Schlachthaus
Der Schweizer Tierschutz kontrolliert Betriebe, die Eier an Migros und Coop verkaufen. Laut Geschäftsführer Hansuli Huber werden die schlafenden Tiere für den Transport ins Schlachthaus an den Beinen aus den Volieren gezogen. Danach werden bis zu vier Tiere pro Hand an jeweils einem Bein zu den Transportkisten getragen.
In den Kisten wird es eng. Laut der Tierschutzverordnung reicht für eine zwei Kilo schwere Legehenne eine Fläche von 18 x 18 Zentimetern. In jeder Kiste befinden sich bis zu 15 Hühner. Laut Huber «rutschen den Tieren häufig die Füsse unter dem Körper weg». Und im Sommer würde es in den engen Kisten bis über 35 Grad heiss. Hubers Fazit: «Diese Tiere sind nichts mehr wert.»
Volle Kisten dürfen laut Tierschutzverordnung bis zu vier Stunden im Stall stehen, bis zum Erreichen des Schlachthofs dürfen weitere acht Stunden vergehen.
Die Tiere müssen bei der Schlachtung nüchtern sein. Daher entziehen ihnen die Bauern schon vorher Wasser und Futter. Tierschutzkontrollen zeigen: Vom Einpacken bis zum Ablad im Schlachthof bleiben die Hennen bis zu 13 Stunden ohne Wasser und bis zu 26 Stunden ohne Futter. Die hungrigen Tiere fressen in den Kisten Kot und Eier.
1,7 Millionen Hennen pro Jahr getötet
Rund eine Million Hennen reisen so jährlich zum deutschen Schlachthof Stauss in Ertingen, rund 90 Fahrminuten von Kreuzlingen TG entfernt. Stauss ist ein Tochterunternehmen der Migros-Gruppe.
Rund 200 000 Hennen werden zudem von der Trupro AG im Schlachthaus in Staad SG geschlachtet. Zusammen mit den rund 500 000 vergasten Hühnern (siehe Kasten) ergibt das total 1,7 Millionen getötete Tiere pro Jahr. Die toten Tiere werden in der Schweiz unter anderem zu Lyonerwurst verarbeitet.
Das Kreisveterinäramt des deutschen Landkreises Biberach kontrolliert die Hennen bei der Ankunft. Laut Sprecher Bernd Schwarzendorfer kam es mehrmals zu Beanstandungen, weil Kisten überfüllt waren. Es sei normal, dass auch «immer wieder tote Tiere dabei sind». Stauss wendet zur Tötung Elektrobäder an. Die Hennen werden bei Bewusstsein an den Beinen an ein Laufband gehängt und kopfüber ins Wasser getaucht. Strom betäubt sie.
Laut dem Schlachthof Stauss kommen «pro Lieferung und LKW rund 5000 Tiere an». Hin und wieder gebe es Beanstandungen, weil Tiere zu leicht seien und nicht als Suppenhühner taugten. Die Schlachtung entspreche den Schweizer Tierschutzvorschriften.
Im Container vergast
Nicht alle Hennen können als Lebensmittel verwertet werden. Rund eine halbe Million Tiere sterben jährlich im «Gallo Fox». Das ist ein mit Kohlendioxid gefüllter Container, der direkt vor der Stalltür der Legehennenbetriebe deponiert wird. Über Luken werden die Hennen in den Container geworfen. Rund 8000 Hühner haben im «Gallo Fox» Platz.
Die mobile Tötungsanlage gehört Gallo Circle, einer Interessenorganisation der Schweizer Eierproduzenten. Pro vergastes Huhn zahlen die Bauern 1 Franken Aufwandentschädigung an Gallo Circle. Laut Präsident Willi Neuhauser ist die Vergasung mit Kohlendioxid «die humanste und modernste Tötungsmethode» für die Hennen: «Sie schlafen langsam ein, lange Transportwege entfallen.»
Ihre Kadaver landen anschliessend in der Biogasanlage Bima Energie AG in Münchwilen TG. Hier werden sie zu Strom verarbeitet.