Der Kläger hastet in allerletzter Minute in den Gerichtssaal des Bezirksgerichts Zürich. Sein Anwalt erwartet ihn bereits. Die Zürich Versicherung ist durch eine Angestellte und einen Anwalt vertreten. Auch sie warten ungeduldig. Die Verhandlung beginnt leicht verspätet. Der Anwalt des Klägers begründet gegenüber dem Einzelrichter, weshalb sein Mandant von der Zürich Versicherung 20 000 Franken plus Zins verlangt: Der Mann sei mit seiner Lebenspartnerin im Jahr 2008 in eine Niederlassung der Versicherung gegangen. Beide hätten dort eine Lebensversicherung abgeschlossen: Der Mann mit einer Deckung von 50 000 Franken, die Frau mit einer Deckungssumme von 20 000 Franken. Im Februar 2009 sei die Lebenspartnerin gestorben.
Die Versicherung zahlte auch nicht an die gesetzlichen Erben
Nach dem Tod der Partnerin habe die Zürich die Zahlung der 20 000 Franken abgelehnt. Begründung: Als Konkubinatspartner habe der Mann keinen Anspruch. Das Geld stehe den Kindern der verstorbenen Frau zu.
Der Anwalt des Klägers ergänzt, dass die Versicherungssumme auch den Kindern nicht ausbezahlt worden sei. Die Versicherung habe einfach die Prämien kassiert und wolle sich nach dem Tod der Versicherten billig davonstehlen. Die Zürich habe dem Paar zwei Lebensversicherungen verkauft, bei denen im Todesfall der Ehepartner, der eingetragene Partner oder die Kinder das Geld ausbezahlt erhalten. «Mein Klient meinte, unter den Begriff der eingetragenen Partnerschaft würden auch Konkubinatspartner fallen.»
Versicherungsvertreter wusste vom Konkubinat, sagte aber nichts
Der Versicherungsvertreter habe gewusst, dass die beiden Kunden im Konkubinat lebten, und hätte sie deshalb darauf hinweisen müssen, dass sie sich explizit schriftlich begünstigen müssen, damit ihnen im Todesfall des Partners die versicherte Summe ausbezahlt wird. Aufgrund dieser fehlenden Aufklärung sei die Versicherung schadenersatzpflichtig und müsse dem Kläger die 20 000 Franken trotzdem bezahlen.
Der Anwalt der Zürich wehrt sich gegen den Vorwurf der Falschberatung: «Es war keine Beratung, sondern ein Vertragsabschluss.» Der Versicherungsvertreter dürfe gar keine Empfehlung über die Begünstigung aussprechen, «er soll sich nicht in Erbfragen einmischen».
Bei den Kindern gewartet, bis der Anspruch verjährte
Dass die Versicherung die Summe behalten und an niemanden ausbezahlt hat, begründet der Anwalt damit, dass sich die Kinder nach dem Tod der Mutter nicht gemeldet hätten. Und nach zwei Jahren sei der Anspruch verjährt.
Der Richter schlägt Vergleichsverhandlungen vor, macht aber dem Kläger gleichzeitig deutlich, wie er den Fall einschätzt: «Es tut mir leid, aber Ihre Klage ist aussichtslos.» Laut Vertrag hätten nur Ehepartner und leibliche Kinder einen Anspruch, nicht aber Konkubinatspartner. «Ich bin zwar erstaunt über diesen Vertrag», räumt der Richter ein. Trotzdem müsse die Versicherung nichts zahlen.
Schliesslich einigen sich die Parteien in einem Vergleich darauf, dass die Zürich Versicherung dem Lebenspartner 2500 Franken zahlt und die Hälfte der Gerichtskosten von 1575 Franken übernimmt. Der Kläger und sein Anwalt sind ernüchtert, dass die Versicherung die Summe trotz bezahlter Prämien behalten kann.
Versicherungsvertreter sind keine Vertrauenspersonen
Versicherungsvertreter sind Vertreter der Versicherung, nicht der Kunden – auch wenn sie sich Versicherungsberater nennen. Wer eine Versicherung verkauft, darf die eigenen Interessen jenen der Kunden voranstellen. Im mündlichen Verkaufsgespräch machen Versicherungsvertreter immer wieder Versprechungen, die sich im Nachhinein als falsch erweisen. Glauben Sie deshalb nur das, was in der Police und den Versicherungsbedingungen schwarz auf weiss steht, oder lassen Sie sich weitere Zusicherungen schriftlich geben.
Im Kleingedruckten der Lebensversicherungen ist geregelt, wer die Todesfallsumme erhält, falls der Versicherte vor Ablauf des Vertrags stirbt. Diese Begünstigungsordnung kann geändert werden. Versicherungsnehmer sollten der Versicherung schriftlich melden, wer das Geld nach ihrem Ableben erhalten soll. Daran sind die Gesellschaften gebunden.