Saldo-Leser Hermann Sauber (Name geändert) aus St. Gallen ist Garagist. Er erhielt Anfang 1996 Besuch eines Versicherungsvertreters der damaligen Migros-Versicherung Secura. Dieser hatte ein ganz besonderes Angebot für den Unternehmer: Er solle eine «kapitalbildende Versicherung» in der gebundenen Vorsorge abschliessen – also in der steuerbegünstigten Säule 3a.
Jedes Jahr sollte Sauber 1485 Franken einzahlen – während 28 Jahren. Am Ende, im Januar 2024, erhalte er dann garantiert 50'000 Franken. Seine Hinterbliebenen würden im Fall seines vorzeitigen Todes den gleichen Betrag erhalten.
Der Versicherungsvertreter hielt schriftlich auf seinem Beraterblatt fest: Zu den 50'000 Franken würden bis 2024 insgesamt 28'524 Franken an Nichtraucher-Überschüssen zusätzlich ausgezahlt. Dieses Argument überzeugte den zuerst etwas skeptischen Hermann Sauber, den Vertrag zu unterschreiben.
Gerade einmal Fr. 1377.70 zusammengekommen
Ende 1999 übernahm die Generali-Versicherung die Secura und ist seither für Saubers Police verantwortlich. Der Vertrag neigt sich langsam seinem Ende zu. Deshalb erkundigte sich Sauber kürzlich über die Entwicklung der Nichtraucher-Überschüsse. Nach einem Gespräch in der Agentur in St. Gallen erhielt er eine detaillierte Aufstellung der zugewiesenen Beträge und war schockiert: In all den Jahren kamen gerade mal Fr. 1377.70 an Überschüssen zusammen – also nicht einmal 10 Prozent der in Aussicht gestellten 28'524 Franken.
In den Unterlagen, die saldo vorliegen, werden den Kunden regelmässige Überschüsse vorgegaukelt. In den Allgemeinen Versicherungsbedingungen heisst es zum Beispiel unter Punkt 4 «Überschussbeteiligung»: «Unsere Versicherungsleistungen und Prämien werden während der ganzen Vertragsdauer garantiert. Dank einer vorsichtigen Kalkulation bilden sich in der Regel Überschüsse.»
Was «in der Regel» bedeutet, fand Sauber viel zu spät heraus: Während der ganzen Vertragsdauer zahlte die Secura/Generali 15 Jahre lang gar nichts aus. Von 1996 bis 2000 lag der Betrag zwischen 0 und 221 Franken. Danach bewegte er sich zwischen 0 und rund 85 Franken. Bei den angekündigten 28'524 Franken hätten die Überschüsse jährlich 1000 Franken betragen müssen.
Frühere Versprechungen sind für Generali «nicht verbindlich»
Verärgert beschwerte sich Sauber bei der Generali. Zwei Monate später erhielt er von der Versicherung eine Antwort. Ihm wurde beschieden, dass die Überschüsse «naturgemäss» immer dann anfallen würden, wenn die Erträge der Kapitalanlagen der Versicherung höher und/oder der Risiko- und Kostenverlauf günstiger seien. Die Höhe der Überschüsse hänge deshalb vom Finanzmarkt und vom Geschäftsergebnis der Gesellschaft ab.
Die vorgenommenen Senkungen der Überschüsse seien das Resultat einer markanten Veränderung des Finanzmarktes. Die Berechnung des Beraters auf einem separaten Blatt sieht die Generali nicht als verbindlich an.
Gegenüber saldo tönt es ähnlich: Generali weist darauf hin, dass die Überschüsse nicht garantiert seien. Die Finanzmarktaufsicht Finma habe die Kompetenz zur Prüfung der Überschusswerte. Es stehe dem Kunden daher frei, die Werte der Überschüsse von der Finma prüfen zu lassen.
Der Fall zeigt einmal mehr: Kunden von Versicherungen haben keine Möglichkeit herauszufinden, wie die Berechnungen der Überschüsse zustande kommen. Die Kunden unterschreiben einen Vertrag mit diversen Unbekannten.
Die Überschüsse haben für die Versicherungen vor allem eine wichtige Funktion: Sie sollen den Policen-Verkäufern helfen, skeptische Kunden zum Abschluss zu bewegen. Dabei verschweigen sie, dass die Überschüsse in keiner Art und Weise garantiert sind. Man sollte also nie mit Überschussbeteiligungen rechnen, wenn man eine gemischte Lebensversicherung abschliesst.