Funktioniert die Leber? Lauert im Körper eine Infektion? Sind die Zuckerwerte zu hoch? Gerinnt das Blut, wie es sollte? All das können Ärzte herausfinden, wenn sie Blut, Urin oder Körperzellen ihrer Patienten im Labor untersuchen lassen. 60 bis 70 Prozent der medizinischen Diagnosen stützen sich heute auf labormedizinische Analysen. Das sagt die Schweizerische Union für Labormedizin.
Zahlen des Tarifpools der Datenfirma Sasis AG und des Krankenkassenverbands Curafutura zeigen: Die Krankenkassen gaben 2018 für Laboranalysen über 1,8 Milliarden Franken aus. Auf jeden Einwohner entfielen durchschnittlich 17 Tests.
Die Prämienzahler könnten viel Geld sparen, wenn sich die Preise für Laboranalysen in der Schweiz in ähnlichem Rahmen bewegen würden wie im benachbarten Ausland. Das zeigt der saldo-Vergleich der Schweizer Tarife der 15 umsatzstärksten Labortests mit denen von Deutschland und Österreich (siehe Tabelle im PDF). In allen drei Ländern handelt es sich um amtlich festgelegte Tarife. In der Schweiz ist das Bundesamt für Gesundheit für die Preise zuständig. Die Ergebnisse im Einzelnen:
Schweizer Labors bekommen je nach Test die Hälfte (Überprüfung der Eisenspeicher) bis zu 18 Mal mehr (kleines Blutbild) als die Labors in Deutschland oder Österreich.
Für einen Vitamin-D-Test erhalten Schweizer Labors 53 Franken, deutsche Labors umgerechnet Fr. 21.26 und österreichische Fr. 13.16.
Ein hausärztliches Labor in der Schweiz darf für die Bestimmung einzelner Leberwerte laut Tarif je Fr. 7.90 verlangen. In Deutschland sind es umgerechnet 63 Rappen, in Österreich Fr. 1.05.
Jährliches Sparpotenzial von über 400 Millionen Franken
Hätten Schweizer Labors für die 15 umsatzstärksten Tests im vergangenen Jahr nur im Rahmen der deutschen Tarife Rechnung stellen können, hätten die Krankenkassen rund 415 Millionen Franken eingespart. Nach österreichischem Tarif wären die Tests 394 Millionen Franken billiger gekommen.
Thomas Rosemann, Professor für Hausarztmedizin an der Universität Zürich, hält viele Tests für medizinisch unnötig. Zum Beispiel solche, die den Vitamin-D-Gehalt im Blut oder die Eisenwerte feststellen (saldo 6/2019). Zugleich kritisiert er die amtlichen Tarife für Grosslabors als «massiv überhöht». Diese würden ihre Tests meist maschinell und ohne viel Personal durchführen.
Andreas Schiesser von Curafutura verlangt eine Reduktion der Tarife. «Trotz höherer Kosten in der Schweiz sind die Margen der Labors überrissen.» Er fordert, dass Schweizer Ärzte Tests auch in Deutschland in Auftrag geben und die Krankenkassen die Kosten dafür übernehmen dürfen. Das ist ihnen heute untersagt.
Der Verband der medizinischen Laboratorien der Schweiz lehnt niedrigere Tarife ab. Verbandspräsident Willi G. Conrad bezeichnet Tarifvergleiche mit dem Ausland als «nicht aussagekräftig». In der Schweiz würden Laboranalysen von teils höher qualifiziertem Personal erbracht als in Deutschland. Ferner seien Mieten oder Transportkosten höher.
Labors der Hausärzte haben noch höhere Tarife
Auch der Ärzteverband FMH ist gegen tiefere Tarife. Die Labors in den Arztpraxen seien dann gefährdet. Diese hätten aber Vorteile: Der Arzt könne die Befunde des eigenen Labors sofort in die Behandlung miteinbeziehen und die Patienten müssten nicht nochmals in die Praxis kommen. Das spart laut dem Ärzteverband Kosten.
Zurzeit betreiben etwa 7000 Schweizer Hausärzte eigene Labors. Sie dürfen dort 33 schnelle Analysen durchführen, um zum Beispiel den Cholesterinwert oder den Blutzucker zu bestimmen. Für diese Analysen sind die Tarife aber höher als in den externen Labors. Zum Vergleich: Deutsche Hausärzte geben fast alle Testaufträge an externe Labors weiter.
Jonas Montani vom Bundesamt für Gesundheit kommentiert die riesigen Tarifunterschiede zu den Nachbarländern nicht. Man plane aber eine Überprüfung der Tarife.