Privatlabors zahlten bis 2020 über 100 Millionen Franken heimlich an Ärzte, um mehr Aufträge zu erhalten – etwa zur Bestimmung der Cholesterinwerte oder für das Erstellen von Blutbildern (saldo 20/2023).
Auch heute noch bezahlen mehr als 90 Prozent der privaten Labors Ärzten mit eigener Praxis 5 bis 10 Franken pro Auftrag extra, wie ein Brancheninsider gegenüber saldo erklärt. Ein Hausarzt aus dem Kanton Zürich bestätigt, pro Testauftrag 5 Franken von der Laborkette Unilabs zu erhalten. Als Gegenleistung schicke seine Praxis die Daten des Auftrags elektronisch ans Labor, etwa die Personalien des Patienten und was untersucht werden muss.
Auch die Fernsehsendung «Kassensturz» berichtete im September, dass die Firma Labor Team in Goldach SG einer Gynäkologin 10 Franken als «Entschädigung» für die elektronische Übermittlung eines Testauftrags zusicherte. Ärzte streichen so jährlich 35 bis 70 Millionen Franken an Extrazuwendungen ein. Sie erteilten privaten Labors 2024 rund 7,7 Millionen Testaufträge, wie Daten der Firma Sasis zeigen. Zugleich steigen die Gesundheitskosten, warnt Christophe Kaempf vom Krankenkassenverband Prio Swiss: «Erhält ein Arzt Geld für Laboraufträge, stellt dies einen Anreiz dar, mehr Laboraufträge als nötig zu erteilen.»
Das Bundesamt für Gesundheit bezeichnet die Zahlungen als illegal. Ärzte dürften für die Labortests keine zusätzliche Entschädigung erhalten, da diese bereits mit dem geltenden Tarif abgegolten seien.
Das Amt forderte im letzten Juni in einem Schreiben den Laborverband (FAHM) auf, die Praxis einzustellen. Auch der Ärzteverband rät seinen Mitgliedern, «keine zusätzlichen Vergütungen für die elektronische Erfassung des Laborauftrages von den Auftragslabors anzunehmen».
Krankenkassen müssen Vergütungen zurückfordern
Laut Christophe Kaempf sind die Krankenkassen verpflichtet, das Geld zurückzufordern. Ihre Deals mit Labors und Ärzten bleiben jedoch meist geheim (saldo 20/2023). Der Laborverband verteidigt die Zahlungen auf Anfrage als «zulässige Vergütung». Die Labors würden die Ärzte nur für zusätzlichen Aufwand entschädigen. Der Verband bestreitet, dass das zu mehr Tests führe. Zahlen des Bundesamts für Gesundheit legen das Gegenteil nahe: Privatlabors steigerten ihren Umsatz von 2012 bis 2022 um 72 Prozent.
Hier können Sie Missstände melden
Eine Apothekerin lässt sich Hotelübernachtungen von einem Pharmaunternehmen bezahlen, dessen Medikamente sie bevorzugt abgibt. Ein Arzt bekommt kostenlos neue Autoreifen als Wertschätzung dafür, dass er ein Labor häufig beauftragt. Ein Spital profitiert von Rabatten eines Herstellers von Medizingeräten, ohne diese an die Krankenkasse weiterzugeben.
Solche Belohnungen für Ärzte sind gang und gäbe. Das Bundesamt für Gesundheit hat seit 2020 die Aufgabe, diese Zuwendungen zu verhindern, da sie medizinische Entscheide beeinflussen.
Das Amt betreibt seit Februar eine Internetmeldestelle, um Verstösse aufzudecken: Bag-itw.integrityline.io. Jeder kann einen Verdacht melden – auch anonym.
Auch der «K-Tipp» und saldo bieten die Möglichkeit, vertrauliche Informationen oder Missstände zu melden. Das Rechercheteam lässt sich unter dieser Internetadresse anonym kontaktieren: Ktipp.ch/ investigativbox.