Labortests sind in der Schweiz ein gutes Geschäft. Die Patienten bezahlen etwa für die Bestimmung des PSA-Werts bei der Prostata Fr. 10.60. In deutschen Labors kostet der gleiche Test nur Fr. 4.40.
Ein weiteres Beispiel: Bei Schweizer Labors kostet ein Test zur Bestimmung des Vitamin-D-Werts im Blut Fr. 50.73. In einem französischen Labor kostet er Fr. 20.30 und in einem niederländischen Fr. 9.09.
Die Patienten gaben 2022 zwei Milliarden Franken für Labortests aus. Profiteure der hohen Tarife sind die Labors. Der damalige Gesundheitsminister Alain Berset kürzte zwar im August 2022 die Tarife – aber nur um 10 Prozent.
Medizinlabors reden bei den Tarifen massgeblich mit
Das Bundesamt für Gesundheit lässt seit 2017 eine Arbeitsgruppe an neuen Tarifen arbeiten. Der Arbeitsgruppe gehören unter anderem Vertreter von Ärzten, Spitälern und Krankenkassen an.
Vertrauliche Dokumente zeigen: Die Schweizer Labors dürfen bei der Neugestaltung der Tarife massgeblich mitreden. Etwa beim Auslandpreisvergleich.
Das Bundesamt für Gesundheit beauftragte im Januar 2023 die Basler Firma BSS Volkswirtschaftliche Beratung, einen «methodisch korrekten» Auslandpreisvergleich für medizinische Tests zu erarbeiten. Das Bundesamt benützt solche Vergleiche bisher, um die Preise von Medikamenten festzulegen – bisher aber noch nicht bei Labortests.
Ausländische Labors bei gleich hohen Kosten massiv günstiger
Im «vertraulichen» Schlussbericht der BSS vom 15. März 2024 vergleichen die Autoren die Schweizer Tarife von 24 Laboruntersuchungen mit denen in Belgien, Deutschland, Frankreich und den Niederlanden. Sie berechneten, wie viel die Tests im Ausland kosten würden, wenn Labors genauso viel für Personal, Materialien, Strom und Miete zahlen müssten wie in der Schweiz. Ergebnis: Die Medizinlabors in den Vergleichsländern verlangen für die 24 Tests nur 56 Prozent des Preises, den die Schweizer Labors verlangen.
Letztere kassieren also im Durchschnitt fast das Doppelte, selbst wenn man bei der Kalkulation ihre gegenüber dem Ausland leicht höheren Kosten berücksichtigt. Das bedeutet konkret: Insgesamt zahlen Schweizer Prämienzahler für Labortests 880 Millionen Franken zu viel – Jahr für Jahr. Frühere Studien kamen zu ähnlichen Ergebnissen. Laut dem Preisüberwacher sind die Schweizer Tarife mehr als doppelt so hoch wie in Deutschland, Frankreich und den Niederlanden. Der Krankenkassenverband Santésuisse bezifferte im Jahr 2019 den Unterschied sogar auf das Dreifache.
Eigentlich hätten die BSS-Autoren die Studie im Mai abschliessen sollen. Doch das Bundesamt liess Interessenvertreter dazu Stellung beziehen. So forderte etwa der Verband der Medizinischen Laboratorien der Schweiz Korrekturen. Der Ärzteverband FMH verlangt, Tests in Labors von Arztpraxen vom Auslandpreisvergleich auszunehmen.
Der Verband vertritt fast 10'000 Ärzte, die Praxislabors betreiben und niedrigere Tarife befürchten. In einem E-Mail vom 17. September 2024 krebste das Bundesamt gegenüber den Verbänden zurück und kündigte eine Überarbeitung der Studie an. «In Absprache» mit dem Laborverband werden nun 40 statt 24 Laboranalysen berücksichtigt. Deutschland fällt zudem als «Vergleichsfall» weg. Das Bundesamt gibt dafür keine Begründung. Klar ist: Mit Deutschland fällt das günstigste Land im Vergleich weg.
Deutsche Labors kassieren laut Studie für Tests im Durchschnitt nur 43 Prozent der Preise von Schweizer Labors. Mit diesem Trick wird die Preisdifferenz beim Auslandpreisvergleich kleiner.
«Der Bund schiebt das Thema auf die lange Bank»
Der Bund lässt sich zudem viel Zeit, um die Labortarife zu senken. So antwortete er auf einen Vorstoss von Mitte-Nationalrat Christian Lohr aus Kreuzlingen TG, dass die neuen Labortarife «voraussichtlich 2027» in Kraft treten. Lohr sagt zu saldo: «Der Bund schiebt das Thema auf die lange Bank. Und er gibt Labors zu viel Mitspracherecht – zum Schaden der Prämienzahler.» Das Bundesamt bestreitet, dem Laborverband ein «grösseres Mitspracherecht» bei der «Erarbeitung der Tarifgrundlagen» einzuräumen als anderen Akteuren.
Man habe die Anzahl der Tests erhöht, um eine «hohe Aussagekraft» des Auslandpreisvergleichs zu erzielen. Dessen Publikation sei «Ende 2024» vorgesehen. Die Arbeiten am neuen Tarif schreiten aus Sicht der Behörde «gut voran».