Die Verhandlung beim Richteramt Thal-Gäu in Balsthal SO ist bereits nach 30 Minuten vorbei. Ein kurzer Prozess, wie auch der Einzelrichter feststellt. Der Streit, der die Klage auslöste, dauert aber schon Jahre. Der Kläger ist ein junger Familienvater. Er spricht mit einem Wiener Akzent und ist dermassen schlecht auf den Vermieter zu sprechen, dass er ihn nur «Mafioso» nennt. Der Mieter erschien mit seinem Anwalt zur Verhandlung. Der Vermieter blieb unentschuldigt fern.
Gegenstand des aktuellen Streits ist die Kündigung, die der Mieter angefochten hat. «Das ist eine verbotene Rachekündigung», sagt er. Nach allem, was bisher passiert sei, habe der Vermieter «kein Recht, ihn aus der Wohnung zu werfen». Im Frühling 2015 habe er im Mehrfamilienhaus des Beklagten eine 3,5-Zimmer-Wohnung bezogen. Die Miete betrug 1100 Franken. «Die ersten Monate lebten wir ohne Probleme in der Wohnung», erinnert sich der Familienvater. «Die Nachbarn waren alle sehr nett. Wir verständigten uns mit Händen und Füssen, weil sie fast kein Wort Deutsch sprachen.»
Ein leerer Öltank und undichte Fenster
Als der Winter anbrach, gab es kein warmes Wasser. Der Öltank sei leer gewesen und die Fenster undicht, sagt der Kläger. «Ich habe zwei kleine Kinder. Sie froren und konnten nicht schlafen.» Er habe sich beim Vermieter beschwert, doch passiert sei nichts. «Der Öltank blieb den ganzen Winter über leer.» Zudem waren die Briefkästen vor dem Wohnblock kaputt. Der Pöstler legte die Post ungeschützt in die Milchkästen. Die Hausfassade bröckelte. In der Wohnung des Klägers hatte es an Decken und Wänden Wasserspuren und Schimmel. Ein kaputtes Fenster im Schlafzimmer war mit Karton und Klebeband notdürftig geflickt. In der Waschküche verliefen Stromleitungen ungesichert die Wände hoch.
«Der Vermieter nützt die Bewohner aus»
Die Liegenschaft hat zwölf Wohnungen. Die Mehrheit der Mieter seien Ausländer mit wenig Geld, erklärt der Familienvater dem Einzelrichter. «Der Vermieter nutzt die Bewohner aus. Niemand wehrt sich, alle haben Angst. Sie kommen mit ihren Problemen immer wieder zu mir.» Mehrmals habe er in den vergangenen Jahren von der Schlichtungsbehörde recht bekommen. Sie habe den Vermieter aufgefordert, die Schäden zu beheben. «Aber das interessiert ihn nicht. Er hat nie einen Finger gekrümmt. Ich musste sogar die Küche selbst renovieren.» Auch das Bad habe er eigenhändig gestrichen.
«Irgendwann platzte mir der Kragen, weil ich nicht mehr länger so viel Miete zahlen wollte», erzählt der Kläger. Im Herbst 2018 erwirkte er vor der Schlichtungsbehörde eine Mietzinsreduktion von 400 Franken. «Als Reaktion erhielt ich Anfang dieses Jahres vom Vermieter die Kündigung.»
Der Anwalt des Klägers liefert ergänzend rechtliche Ausführungen: «Die Kündigung ist ungültig», sagt er. Der Mann wohne mit seiner Frau zusammen. Beide hätten den Mietvertrag unterschrieben. Deshalb hätte laut Gesetz der Vermieter beiden die Kündigung separat schicken müssen.
Die Kündigung ist nichtig, der Vermieter muss zahlen
Der Richter kommt zum gleichen Schluss: «Die Kündigung ist nichtig, weil nicht beide Ehepartner ein Kündigungsschreiben erhielten.» Für den abwesenden Vermieter kommt das Verfahren teuer zu stehen. Er muss die Gerichtskosten von 1600 Franken zahlen sowie dem Kläger eine Prozessentschädigung von 6000 Franken überweisen. Dieser ist mit dem Ausgang des Verfahrens zufrieden. Er will ausziehen, sobald er eine neue Wohnung gefunden hat. Er ist sicher: «Der Vermieter wird auch in zehn Jahren nichts repariert haben.»
Abwesende haben schlechte Karten
In Zivilverfahren kann das Gericht keine Partei zwingen, zu einer Verhandlung zu erscheinen. Wer aber einem Termin trotz Vorladung unentschuldigt fernbleibt, muss mit erheblichen Konsequenzen rechnen. Denn das Gericht stellt dann auf die Sachverhaltsschilderung der erschienenen Partei ab. Gestützt darauf fällt das Gericht das Urteil. In der Regel unterliegt die abwesende Partei und muss die Gerichtskosten übernehmen sowie der anderen Partei eine Entschädigung für die Umtriebe im Zusammenhang mit dem Verfahren zahlen. Dagegen hilft meist auch ein Weiterzug an die nächste Instanz nichts. Denn dort wird der Sachverhalt nur ausnahmsweise ergänzt. Es können fast nur Verfahrensmängel geltend gemacht werden.