Mobiles Telefonieren kostet in der Schweiz massiv mehr als im Mittel der EU-Länder. Das zeigt ein Vergleich, den das Bundesamt für Kommunikation (Bakom) Mitte des vergangenen Jahres veröffentlichte. Konkret: Wer das Handy nur wenig nutzt und ein Abonnement hat, zahlt 80 Prozent mehr als der durchschnittliche EU-Bürger. 51 Prozent mehr sind es bei häufigem Telefonieren und unter Einschluss der Prepaid-Karten.
In einem unabhängigen Firmenvergleich legte der «Tages-Anzeiger» letzten Sommer erstaunliche Zahlen vor. Die Studie einer Investmentbank verglich die Rentabilität der Mobilfunksparte sämtlicher Betreiber aus 15 europäischen Ländern.
Das Fazit: Swisscom, Orange und Sunrise verdienten deutlich mehr Geld als ihre Kollegen im Ausland. Die Profitabilität von Sunrise, Orange und Swisscom lag zum Teil weit auseinander. Ihre Margen lagen aber klar über dem jeweiligen EU-Schnitt. Die Swisscom strich von jedem Franken, den die Kunden für die Handyrechnung überwiesen, knapp 46 Rappen als Betriebsgewinn ein.
Fastweb: Wert in drei Jahren von 7 auf 2 Milliarden geschrumpft
Bei der Swisscom läppern sich so ganz schöne Gewinne zusammen. Insgesamt erzielte die Swisscom im vergangenen Jahr 1,925 Milliarden Franken Gewinn. Das sind knapp 10 Prozent mehr als 2008. 60 Prozent der Aktien sind im Besitz des Bundes. Dieser geht nicht leer aus. Letztes Jahr erhielt er Dividenden von 600 Millionen Franken. 2008 waren es 590, ein Jahr zuvor 500 Millionen Franken. Mit anderen Worten: Mit den überhöhten Telefongebühren zahlen die Konsumenten beträchtliche Beträge in die Bundeskasse – nichts anderes als versteckte Steuern.
Weit mehr Geld aber leiten die Swisscom-Manager ins Ausland. Und verlieren dabei regelmässig riesige Summen. Zwischen 1993 und 1997 beteiligte sich die Swisscom mit 2 Milliarden Franken an Firmen in Ungarn, Indien und Malaysia. Die Expansion brachte aber Verluste, worauf die Swisscom 1999 wieder ausstieg. Ein Debakel war auch der Kauf der deutschen Mobilfunk-Gruppe Debitel, das 2004 mit einem Abschreiber von 3,3 Milliarden Franken endete. Und der frühere Geschäftsführer Jens Alder konnte vom Bundesrat Ende November 2005 gerade noch per Notbeschluss gestoppt werden, bevor er das irische Telefonunternehmen Eircom kaufen konnte.
Vor drei Jahren schliesslich kaufte die Swisscom für 7 Milliarden Franken die italienische Fastweb – heute ist die Firma gerade noch 2 Milliarden wert. In nicht einmal drei Jahren hat die Swisscom auf dem Papier 5 Milliarden Franken vernichtet. Und sie ist in eine der grössten Betrugsaffären in der Geschichte Italiens verwickelt.
Italienische Behörden haben Zwangsverwaltung beantragt
Gegen die Fastweb läuft ein Strafverfahren. Es geht um 2 Milliarden Euro Schwarzgeld. Diese Summe soll die Mafiaorganisation ’Ndrangheta über Jahre dank fiktiver Rechnungen von diversen Firmen wie Fastweb und der Telecom-Italia-Tochter Sparkle gewaschen haben. Die italienischen Behörden ermitteln inzwischen gegen über 80 Personen, 56 sind bereits in Haft. Der Blick titelte «Wäscht die Swisscom Mafiagelder?» Swisscom-Sprecher Sepp Huber wiegelt ab: «Das sind alles nur Vorwürfe. Wir gehen davon aus, dass Fastweb selber Opfer ist.»
Die italienische Strafverfolgungsbehörde hat die Zwangsverwaltung für Fastweb und Sparkle beantragt. Es wäre das erste Mal, dass in Italien eine börsenkotierte Gesellschaft unter Aufsicht gestellt würde. Swisscom-Sprecher Sepp Huber gibt sich zwar selbstsicher: «Nach heutiger Einschätzung würde eine behördliche Aufsicht die Geschäftstätigkeit nicht beeinträchtigen.» Doch aus einem internen Swisscom-Papier geht hervor: «Ein Grossteil ihrer Umsätze erwirtschaftet Fastweb mit Geschäftskunden und der öffentlichen Hand, die auf einen zuverlässigen, stabilen und integren Lieferanten angewiesen sind. Die Reputation hat daher einen Einfluss auf die Wachstumsaussichten von Fastweb.»
Swisscom wusste von einem Verfahren wegen Steuerhinterziehung
Noch deutlicher wird der italienische Finanzexperte Guido Roberto Vitale gegenüber der Zeitung «Il sole 24 ore»: «Die Börse wird ganz sicher emotional reagieren.» Eine Firma unter Aufsicht könne nicht mehr mit dem gleichen Tempo agieren, was sich auf die Geschäftsführung auswirke. Und der jetzige Geschäftsführer von Fastweb, Stefano Parisi, hält in einem Gespräch mit dem TV-Sender «Channel 5» fest: «Unter Aufsicht gestellt zu werden, kommt einem Mord am Unternehmen gleich.»
Erstaunlich: Die Swisscom wusste nach eigenen Angaben, dass beim Erwerb von Fastweb ein Verfahren wegen Steuerhinterziehung lief. Dabei hatte sie sich auf zwei Berichte von Steuerberatungsunternehmen gestützt, wonach diese Vorwürfe angefochten worden seien und Fastweb eine Mehrwertsteuer-Rückerstattung gefordert habe. Im Kaufangebot habe Swisscom das Risiko berücksichtigt, dass die italienische Justiz diese Beträge nicht zurückzahlen werde. Nur: Die Schweizer dachten offenbar nicht im Traum daran, dass sich die Angelegenheit zu einem Geldwäschereiskandal entwickeln würde.
Noch läuft das Verfahren. Sicher ist aber jetzt schon: Vor drei Jahren hat sich die Swisscom bei ihrem Italien-Engagement reichlich naiv und fahrlässig verhalten. Es ging damals nicht um eine kleine Investititon, sondern um ein 7-Milliarden-Geschäft. Wie sagte doch der bekannteste italienische Mafia-Jäger Leoluca Orlando: «Jede vernünftige Hausfrau überprüft die Salami, bevor sie sie kauft. Aber die Swisscom hat sich wie viele europäische Firmen benommen, die immer noch glauben, dass Geld nicht stinkt. Wie die drei Affen: nichts sehen, nichts hören und nichts sagen.»
Auslandengagement als «Profit für die Kunden» dargestellt
Swisscom-Chef Carsten Schloter ist auch Verwaltungsratspräsident von Fastweb. Er spielt das Unschuldslamm: «Die gesamte kriminelle Dimension, die in den vergangenen Tagen durch die italienischen Untersuchungsbehörden bekannt gemacht wurde, war damals Swisscom nicht bekannt und wäre auch nicht erkennbar gewesen», rechtfertigt er sich. Schloter kassierte 2008 gemäss Geschäftsbericht der Swisscom ein Jahressalär von 1,8 Millionen Franken.
Swisscom-Sprecher Sepp Huber verteidigt das Auslandengagement seiner Firma. Er behauptet: «Gerade die Konsumenten profitieren, wenn sich unser Unternehmen mit Firmen und Kooperationen im Ausland engagiert.» Eine Einigelung hätte für die Schweiz teure Konsequenzen, warnt er.
Auslandskäufe: Auch Post kein gutes Vorbild
Die Verluste der Swisscom im Ausland erinnern an das Geschäftsmodell der schweizerischen Post. Wie saldo im letzten September erstmals aufzeigte, verhökerte die Post Gewinne aus dem Inlandgeschäft in waghalsigen Auslandabenteuern (saldo 14/09). Besonders stossend: Sie investierte hunderte von Millionen Franken in fragwürdige Gesellschaften, während sie im Inland den Service trotz Gewinnen laufend abbaut.
Mittlerweile ist die Post mit einem Sammelsurium von rund 70 Tochtergesellschaften in 20 Ländern aktiv – in Westeuropa ebenso wie in China, Indien, Singapur, Malaysia und den USA. Seit Anfang 2004 hat sich die Zahl der Beschäftigten im Ausland mehr als verzehnfacht. Damals waren es auf Vollzeit umgerechnet 553 Beschäftigte, bis Ende 2008 stieg diese Zahl auf 6276 der insgesamt 44178 Stellen.
Der Trend Richtung Ausland ist unverständlich, wenn man sieht, was unter dem Strich bleibt: Im Ausland erzielt die Post im Schnitt eine operative Marge von 2 Prozent – in der Schweiz sind es 11 Prozent. Damit werfen die Auslandaktivitäten lediglich einen Fünftel so viel ab wie das Schweizer Geschäft.