Die Wurzel eines Eckzahns war stark entzündet. Deshalb brauchte Frieda Büsser aus Schänis SG einen künstlichen Zahn. Ihr Zahnarzt setzte ihr ein Implantat ein. Doch damit waren ihre Zahnprobleme nicht gelöst – im Gegenteil: Die Schmerzen wurden immer stärker.
Ein Gutachter kam zum Schluss, der Zahnarzt habe das Implantat zu schnell mit einer bestehenden Brücke verbunden, statt zu warten, bis es in den Kieferknochen eingewachsen war. Ein anderer Zahnarzt musste das Implantat herausnehmen und ein neues einsetzen. Jetzt freut sich die 85-Jährige: «Ich habe keine Schmerzen mehr.»
Implantate sind Schrauben, welche die Zahnwurzel ersetzen. Meistens bestehen sie aus Titan. Vereinzelt kommen auch Keramikschrauben zum Einsatz. Diese haben aber den Nachteil, dass sie länger brauchen, bis sie mit dem Kieferknochen verwachsen. Zahnärzte montieren auf die Schraube einen künstlichen Zahn. Es ist aber auch möglich, auf zwei oder mehr Implantaten eine Brücke oder eine Prothese zu befestigen und so mehrere Zähne gleichzeitig zu ersetzen.
Die 59-jährige Susanne Blume aus Basel bekam im November 2013 vier Implantate, die eine Prothese halten sollten. 17 000 Franken musste sie dafür zahlen. Nach weniger als einem halben Jahr begann die Prothese zu wackeln. «Der Zahnarzt behauptete, die Metallstifte, welche die Prothese mit den Implantaten verbanden, seien herausgefallen», sagt Susanne Blume.
Doch das stimmte nicht, wie ein Zahntechniker herausfand: Die Metallstifte waren abgebrochen. Nachdem er neue Stifte montiert hatte, sass die Prothese wieder. Doch Susanne Blume getraut sich nicht mehr, in einen Apfel oder in ein Stück Brot zu beissen: «Ich befürchte, dass die Stifte erneut brechen könnten.»
Bei vielen Zahnärzten mangelt es an der Routine
Die Schweizerische Zahnärztegesellschaft preist das Einschrauben von Implantaten als Methode, die zu einem «perfekt ästhetischen Bild» führe. Kein Wunder, werden laut der Schweizerischen Implantat-Stiftung in der Schweiz jährlich rund 90 000 Implantate eingesetzt.
Doch weil ein chirurgischer Eingriff nötig ist, sind die Risiken für Komplikationen höher als bei anderen Zahnersatzmethoden. Eine Studie der Uni Bern zeigte letztes Jahr: Innert 20 Jahren verursachten Implantate bei jedem vierten Patienten Probleme. Jedes zehnte Implantat war defekt oder nicht mehr vorhanden – entweder, weil es zerbrochen war oder weil Zahnärzte es wegen einer schweren Infektion entfernen mussten.
Die Gefahr von Komplikationen steigt, wenn das Fachwissen fehlt. Jeder Zahnarzt darf Implantate verwenden. Aber Christian Frei, Fachzahnarzt für orale Chirurgie in Zürich, sagt: «Manche Zahnärzte setzen Implantate, obwohl sie dafür nicht genügend ausgebildet sind oder nicht über die nötige Routine verfügen.»
Behandlungsfehler: Kanton St. Gallen kontrolliert Zahnärzte
Vor drei Jahren hat die Schweizerische Gesellschaft für orale Implantologie einen Weiterbildungsausweis geschaffen. Die Zahnärzte müssen am Schluss eine Prüfung bestehen, so der St. Galler Zahnarzt Anton Christoph Wetzel. Den Titel bekommt zudem nur, wer mindestens hundert Implantate gesetzt hat. Auch Universitäten bieten Weiterbildungen an. In Deutschland können erfahrene Zahnärzte schon seit 2003 den Titel «Spezialist Implantologie» erwerben. Fachzahnärzte für orale Chirurgie, rekonstruktive Zahnmedizin und Parodontologie kennen sich mit Implantaten in der Regel ebenfalls gut aus.
Der Kanton St. Gallen geht jetzt gegen Zahnärzte vor, die ohne Qualifikationen Implantate setzen. Urs Besmer, Leiter des Rechtsdienstes im St. Galler Gesundheitsdepartement, erklärt: «Wir stellten bei einzelnen Zahnärzten schwere Behandlungsfehler fest, die auf fehlende Grundkenntnisse und ungenügende Erfahrung schliessen liessen.»
Seit einem Jahr verbietet das Gesundheitsdepartement Zahnärzten, die keine genügende Qualifikation nachweisen können, Implantate zu setzen. Der Kanton sprach gegen einzelne Zahnärzte ein Berufsverbot aus.
Doch mangelhafte Behandlungen sind nicht das einzige Problem. Zahnärzte setzen auch vorschnell Implantate ein. Anton Christoph Wetzel berichtet: «Manche Zahnärzte setzen Implantate ein, obwohl das gar nicht nötig wäre.»
Oft versprechen andere Methoden einen besseren Erfolg. Etwa eine Brücke: Sie ist sinnvoll, wenn man die Nachbarzähne sowieso sanieren müsste, erklärt Claude Andreoni, Zahnarzt und Präsident der Schweizerischen Gesellschaft für Implantologie. Manchmal ist es besser, auf eine Behandlung ganz zu verzichten: «Eine Lücke bei den Stockzähnen kann man sein lassen, wenn der Patient noch genügend andere Zähne hat», so Andreoni.
Dazu kommt: Zahnärzte bieten ihren Patienten oft nur teure Markenimplantate an. Dabei gibt es viel günstigere Nachahmerprodukte (saldo 6/14).
Das Zahnfleisch ums Implantat entzündet sich schneller
Das grösste Risiko der Implantate sind Zahnfleischentzündungen. Um diese Gefahr zu verkleinern, sollten Menschen, die ein Implantat bekommen haben, zwei- bis dreimal im Jahr eine Dentalhygienikerin aufsuchen. «So können die Fachleute Probleme frühzeitig erkennen», sagt Andreoni.
Falls eine Entzündung unentdeckt bleibt und sich verschlimmert, schädigen die Bakterien auch den Kieferknochen. Das kann dazu führen, dass das Implantat zu wackeln beginnt.
Wegen möglicher Zahnfleischentzündungen dürfen Zahnärzte auch nicht allen Patienten Implantate setzen. Christian Frei: «Bei starken Rauchern und bei unbehandelten Diabetikern ist die Gefahr eines Misserfolgs höher.» Deshalb müssen Zahnärzte die individuellen Risiken bereits vor der Behandlung abklären und die Patienten darüber informieren. Doch Andrea Kunz, Zahnarztberaterin bei der SPO Patientenschutz, sagt: «Patienten klagen manchmal, dass ihr Zahnarzt nicht sauber abgeklärt hat, ob ein Implantat für sie geeignet ist.»
Tipps: Darauf ist zu achten, wenn Sie ein Implantat einsetzen lassen möchten:
- Fragen Sie den Zahnarzt, ob er einen Weiterbildungsausweis für Implantologie besitzt.
- Zahnärzte, die viel Erfahrung mit Implantaten besitzen, finden Sie unter www.sgi-ssio.ch › für Patienten oder unter www.ssos.ch › Adressen.
- Informieren Sie sich über Alternativen. Manchmal ist eine Brücke oder Teilprothese die bessere Lösung.
- Verlangen Sie nicht nur eine Offerte fürs Implantat, sondern auch Offerten für günstigere Methoden.
- Bei starken Rauchern und schweren Diabetikern ist das Risiko für Komplikationen besonders gross.
- Lassen Sie Zähne und Implantate zwei- bis dreimal im Jahr von einer Dentalhygienikerin reinigen.
Wie man einen guten Zahnarzt findet und was man über Implantate, Kronen und Zahnspangen wissen muss, erfahren Sie im Ratgeber «Gesunde und schöne Zähne» (111 Seiten).