Kleiner Schnitt – grosser Schritt», so titelte kürzlich die Gratis-Zeitschrift «Schweizer Hausapotheke». Hüftprothesenoperationen seien dank besserem Material mit «sehr langer Lebensdauer» und neuer Operationstechnik unproblematischer als früher. Autor ist ein Orthopäde der Arthrose Clinic Zürich. Auf derselben Seite hat die Klinik ein Inserat platziert. Der Orthopäde schreibt: «Während früher Kunstgelenke nach 10 bis 15 Jahren häufig ausgewechselt werden mussten, besteht heute eine grosse Chance, dass Hüftprothesen dauerhaft stabil funktionieren und auch bei jüngeren Patienten meist keine spätere Wechseloperation notwendig wird.»
Häufige Wechsel bei Operation vor Alter 65
«Das stimmt nicht», sagt Professor Claudio Dora, Leiter der Hüft- und Beckenchirurgie an der Universitätsklinik Balgrist in Zürich. «Jeder zweite Patient, der vor dem 65. Lebensjahr eine Prothese bekommt, muss bei einer normalen Lebenserwartung mit einem Wechsel rechnen.» Laut Dora verschleissen jüngere Prothesenträger, die körperlich aktiv sind, ein Hüftgelenk schneller als ältere Patienten, die ein ruhigeres Leben führen.
In keinem anderen europäischen Land werden jährlich mehr Hüftgelenke einsetzt als in der Schweiz. Das zeigt die Statistik von 30 europäischen Staaten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung OECD.
Auf 100 000 Einwohner kommen in der Schweiz 292 künstliche Hüftgelenke, im EU-Durchschnitt sind es 157. Einzig in Deutschland (287) und Österreich (272) liegt der Anteil ähnlich hoch. Laut dem Schweizerischen Implantatregister Siris liessen sich im vorletzten Jahr 17 211 Patienten erstmals ein künstliches Hüftgelenk einsetzen. Grund war bei 77 Prozent der Patienten eine Arthrose, also die Abnutzung des Gelenkknorpels.
Laut einer Studie von Professor Christoph Röder von der Universität Bern erhalten immer jüngere Patienten eine Hüftprothese. Dies liege unter anderem an der höheren körperlichen Aktivität. Ein weiterer Grund sei die zunehmende Effizienz der operativen Eingriffe wie etwa kürzere Liegezeiten, weniger Komplikationen oder eine schnellere Rehabilitation.
Prothese kann lottern oder auskugeln
Weil jüngere Patienten die Lebensdauer ihrer Prothese oft überlebten, komme es zu einem Anstieg der Revisionseingriffe – «trotz der Verbesserung beim Prothesenmaterial und trotz der Fortschritte bei der operativen Technik», schreibt Röder in einer Vergleichsstudie im Fachmagazin «Der Orthopäde». Im Klartext: Bessere Methoden führen nicht zu weniger Wechseloperationen.
2013 mussten in der Schweiz 1920 Patienten das künstliche Gelenk ersetzen oder revidieren lassen. Häufigste Gründe sind laut den Siris-Daten eine Lockerung der Prothese in Oberschenkelknochen oder Beckenpfanne, Knochenrisse in der Nähe der Prothesenbefestigung, eine Auskugelung des Gelenks oder Infektionen.
«Wie lange heute eingesetze Hüftprothesen halten, wissen wir erst in zwanzig Jahren», sagt Claudio Dora. Erst dann liegen statistische Werte vor. Die Industrie habe bei Hüftprothesen mit Metall-Gleitpaarung schon einmal geglaubt, dass diese ewig halten würden. Aber das habe sich nicht bewahrheitet.
Das Alter des Patienten bei der Operation spielt eine wesentliche Rolle für die Lebensdauer der Prothese. Das belegen auch Statistiken aus Australien und Schweden: Das schwedische Hüftprothesenregister sammelt seit 1992 entsprechende Daten: 42 Prozent aller Patienten, die bei der Operation jünger als 50 waren, mussten laut dem Register innerhalb von 22 Jahren das künstliche Gelenk auswechseln oder revidieren lassen. Bei älteren Patienten sind es deutlich weniger.