Enorm hohe Therapiekosten, Ausfälle am Arbeitsplatz – wenn es um Rückenschmerzen geht, machen sich sogar Bundesräte Sorgen. Das Volksleiden verursache Kosten in «Milliardenhöhe», klagt Didier Burkhalter auf der Internetseite der Rheumaliga. Vor allem Kreuzschmerzen sind weit verbreitet. Vier von fünf Personen haben Erfahrungen damit.
Paracetamol verkürzt die Dauer der Schmerzen nicht
In der Regel sind Rückenschmerzen eine langwierige Sache. Auch mit Medikamenten lassen sie sich nicht wegzaubern. Selbst der weitverbreitete Wirkstoff Paracetamol kommt jetzt in die Kritik. Eine Arbeitsgruppe von Fachleuten der europäischen Kommission empfiehlt ihn zwar als Wirkstoff der ersten Wahl bei akutem Rückenschmerz – nicht zuletzt, weil ihn Patienten relativ gut vertragen.
Paracetamol kann die Schmerzen in der Tat etwas lindern. Doch die Dauer der Schmerzen verkürzt es nicht. Das zeigt eine neue Untersuchung von australischen Forschern im renommierten Fachblatt «Lancet». Die Forscher beobachteten über 1500 Männer und Frauen, die seit etwa zehn Tagen an Kreuzschmerzen litten.
Eine Gruppe der Patienten schluckte alle sechs bis acht Stunden eine Paracetamol-Tablette, bis sie eine Woche lang am Stück keine Beschwerden mehr hatte. Die andere Gruppe erhielt ein Scheinmedikament.
Am Ende der Studie hatten beide Gruppen gleich lange gebraucht, bis die Schmerzen weg waren: im Durchschnitt gut 16 Tage. Das deutsche Fachblatt «arznei-telegramm» hat die Studie analysiert und kommt zum Schluss: «Die Studie konnte Paracetamol bei akuten Kreuzschmerzen keinen therapeutischen Nutzen nachweisen.»
Andere Medikamente sind nicht viel besser. Ärzte verschreiben als Alternative Medikamente wie Aspirin, Brufen oder Voltaren. Sie bekämpfen nicht nur den Schmerz, sondern dämpfen auch Entzündungen, die oft Ursache der Rückenschmerzen sind. Ärzte setzen sie vor allem bei rheumatischen Krankheiten ein.
Entzündungshemmende Präparate: Nichts für ältere Menschen
Doch diese Mittel haben im Vergleich mit Paracetamol ungleich stärkere Nebenwirkungen. Dazu gehören Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen. Wenn man sie länger einnimmt, können auch Magen- und Darmblutungen auftreten. Bei älteren Patienten belasten sie zudem das Herz.
Etzel Gysling, Hausarzt und Herausgeber der Fachzeitschrift «Pharmakritik»: «Ärzte verschreiben diese Medikamente besonders älteren Patienten nicht mehr gerne.» Der Zürcher Hausarzt Thomas Walser zweifelt, ob Präparate, die Entzündungen hemmen, bei Rückenschmerzen überhaupt einen Nutzen haben: «In den neusten Studien waren sie nur noch so wirksam wie ein Scheinmedikament.»
Auch Schmerzexperte Konrad Streitberger vom Berner Inselspital zeigt Zurückhaltung. Er empfiehlt Medikamente allenfalls bei starken Schmerzen, welche die Bewegung beeinträchtigen. Und auch dann lediglich für ein paar Tage, um die Schmerzspitzen abzufangen.
Salben mit denselben Wirkstoffen haben ähnliche Nebenwirkungen (saldo 5/14). Thomas Walser rät deshalb auch von ihnen ab. Eine Alternative sind Salben mit einem Extrakt aus der Wallwurz-Pflanze. Der Extrakt kann Entzündungen und Schmerzen nachweislich bekämpfen.
GlaxoSmithKline, Herstellerin von Mitteln mit Paracetamol, schreibt saldo, die Studie unterstreiche, dass Paracetamol den Patienten «die Zeit zur Genesung erleichtern» könne. Die Ergebnisse hätten keinen Einfluss auf die aktuellen Empfehlungen.
Für Novartis ist Voltaren besser als ein Scheinmedikament. Das hätten verschiedene Studien gezeigt. Und die Patienten seien auch schneller genesen.
Bewegung ist wichtig bei verspannter Muskulatur
Es gibt allerdings andere Methoden, um den Schmerz erträglicher zu machen: Das Lockern der verspannten Muskeln. Ein akuter Schmerz im Kreuz, so der Physiotherapeut Thorsten Müller vom Berner Inselspital, verspanne die Muskeln, «und das verursacht die starken Schmerzen». Am besten versucht man, sich trotz der Beschwerden weiterhin zu bewegen.
Das sagt auch die Rheumaliga: Bewegung lockert nicht nur die Muskeln, sondern bekämpft auch die Schmerzen. Am schlimmsten ist es, den ganzen Tag im Bett liegen zu bleiben.
Auch Wärme am Kreuz durch ein Wärmepflaster, ein erwärmtes Moorkissen oder eine Rotlichtlampe entspannt die Muskulatur und lindert die Schmerzen. Patienten können sich dadurch wieder besser bewegen.
Hausarzt Walser empfiehlt hohe Dosen Magnesium. Von diesem Mineral weiss man, dass es Muskeln entspannt und sich dadurch positiv auf die akuten Rückenschmerzen auswirken kann. In zu hoher Dosierung führt es allerdings zu Durchfall. Wer zudem andere Medikamente nimmt, sollte die Einnahme von Magnesium vorab mit seinem Arzt klären. Magnesium kann die Wirkung von Medikamenten beeinflussen.
Ob Physiotherapie gegen akuten Rückenschmerz helfen kann, ist ungewiss. Es gibt dafür bis anhin keinen Nachweis. Für den Schmerzexperten Streitberger sollten Patienten sie erst dann in Anspruch nehmen, wenn der Schmerz weg ist: «Dann kann man die Rückenmuskulatur stabilisieren.»
Tipps: So bewegen Sie den Schmerz weg
- Legen Sie sich keinesfalls für längere Zeit ins Bett.
- Machen Sie kleine Spaziergänge.
- Wechseln Sie ab zwischen Liegen, Stehen und Sitzen.
- Machen Sie Lockerungsübungen.
- Gehen Sie zum Arzt, wenn die Schmerzen in Arme oder Beine ausstrahlen oder wenn Sie Gefühlsstörungen haben.
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