Landwirt Franz Baumer aus Eschenbach LU (Name geändert) schloss 2013 bei der Krankenkasse Concordia eine Taggeldversicherung ab. Laut Police hat er Anspruch auf maximal 720 Taggelder von 90 Franken, falls er arbeitsunfähig werden sollte.
Im März des vergangenen Jahres erreichte Baumer das AHV-Alter. Er arbeitete aber als angestellter Landwirt weiter. Im November 2015 erlitt er eine Hirnblutung. Seitdem kann Baumer nur noch leichte Arbeiten ausführen.
Die Concordia zahlte das Taggeld ab November 2015 – aber nur bis Ende April 2016. Denn, so teilte sie Baumer mit, ab dem AHV-Alter würde das Taggeld nicht mehr 720 Tage, sondern grundsätzlich nur noch maximal 180 Tage lang gezahlt. An der Höhe der Prämie änderte sich nichts.
Die Concordia ist nicht die einzige Versicherungsgesellschaft, die die Taggeldleistungen bei Versicherten im AHV-Alter kürzt. Das zeigt eine Umfrage von saldo bei grossen Versicherungen. Unter anderem kürzen Atupri, Baloise, ÖKK und Swica
Rentnern die Dauer der Zahlung auf 180 Tage (siehe Tabelle im PDF). Dasselbe tut die Helsana, wenn der Versicherte bei Beginn des Schadensfalls eine AHV-Rente bezieht. Immerhin reduziert sie als einzige der befragten Versicherungen gleichzeitig mit der Kürzung der Zahlungsdauer auch die monatliche Prämie.
Bei Assura, Groupe Mutuel und Visana endet die Versicherung nach Erreichen des AHV-Alters automatisch. Anders die Sanitas: Sie zahlt bei Erreichen des AHV-Alters unverändert weiter.
Taggeldreduktion ist nicht in jedem Fall gültig
Geregelt sind die Taggeldreduktionen in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) – also im Kleingedruckten. Wichtig zu wissen: Solche Klauseln sind ungültig, wenn sie ungewöhnlich sind, das heisst, wenn der Versicherte nicht damit rechnen muss. Ueli Kieser, Rechtsanwalt und Professor für Sozialversicherungsrecht an der Universität St. Gallen, präzisiert: «Bei der Beurteilung, ob eine Klausel ungewöhnlich ist oder nicht, kommt es auf die Perspektive des Konsumenten an.» Beispiel Landwirt Baumer: Er kannte diese Einschränkung der Taggelder im Kleingedruckten nicht. Das lag vor allem daran, dass in der jährlich aktualisierten Police ausdrücklich die Dauer von 720 Tagen genannt war. Auch in der Jahrespolice für 2016, die Baumer von der Concordia letzten Oktober erhielt – gut ein halbes Jahr nach Erreichen des AHV-Alters.
Kürzung ist auf der Police oft nicht ausgewiesen
Kieser bezweifelt im Fall Baumer, ob das Vorgehen der Krankenkasse korrekt ist: «Die Police ist die individuelle Vereinbarung und geht den AVB vor.» Concordia ist nicht die einzige Versicherung, die Kürzungen bei Erreichen des AHV-Alters nicht auf der Police vermerkt. Atupri, Baloise, Helsana und Swica machen das ebenfalls. Baloise und Swica behaupten aber, die Kunden würden rechtzeitig telefonisch darauf hingewiesen.
saldo wollte von der Concordia wissen, weshalb die Beschränkung der Taggelder nur im Kleingedruckten, nicht aber in der Police erwähnt wird. Antwort: Das sei aus «systemtechnischen Gründen» noch nicht möglich: «Ab Oktober 2016 erhalten alle Versicherten Policen mit dem korrekten Text.» Auf die Frage, weshalb Baumer nach Erreichen des AHV-Alters nicht auf die Kürzung hingewiesen wurde, sagt die Krankenkasse, diese Information sei üblich, aber in diesem Fall wohl vergessen worden.
Immerhin: Wenige Tage nach Anfrage von saldo teilte Concordia Baumer mit, er erhalte nun doch maximal 720 Taggelder.