Die Krankenkassenprämien steigen jedes Jahr, so auch 2024. Versicherungsvermittler machen damit ein Riesengeschäft. Sie wollen die Versicherten zu einem Kassenwechsel motivieren. Doch ihre Beratung ist oft nicht unabhängig. Viele Vermittler gehen im Auftrag einer oder einiger weniger Krankenkassen auf Kundenfang und erhalten pro abgeschlossenem Vertrag Provisionen.
Gestützt auf die letzten verfügbaren Zahlen von 2022 gaben die Krankenkassen laut Bundesamt für Gesundheit rund 38,5 Millionen Franken nur für Provisionen aus. Diese bezahlen letztlich die Versicherten mit ihren Prämien.
Im Vermittlungsgeschäft mit Krankenkassen tätig ist etwa die VIZ Versicherungs-Informations-Zentrum AG (VIZ) – nicht zu verwechseln mit dem VZ Versicherungszentrum. Ehemalige Angestellte des VIZ erklärten saldo, wie das Vermittlungsgeschäft funktioniert und mit welchen Tricks die Vermittler operieren. Die Ex-Mitarbeiter waren bis 2021 für das VIZ tätig.
Die Konditionen des Jahres 2021 zeigen: Die Vermittler sind von den Provisionen abhängig. Wer beim VIZ anfängt, erhält einzig 500 Franken Spesen sowie eine «Provisionsgarantie» von 3500 Franken. Das tönt nach Grundlohn, ist es aber nicht: Wer es nicht schafft, Provisionen in der Höhe von 3500 Franken pro Monat zu erreichen, hat danach beim VIZ Schulden in der Höhe des verpassten Betrages. Durch dieses System sind die Angestellten von Anfang an unter starkem Druck, Provisionen von mindestens 3500 Franken pro Monat zu erzielen.
Vermittler haben Kranke «gesundgeschrieben»
Callcenter mit Sitz im Kosovo vereinbaren für die VIZ-Angestellten Termine. Bis zum Gespräch dürfen die Vermittler Kunden nicht mehr kontaktieren. So sollen Terminabsagen verhindert werden. Sind die VIZ-Leute beim Kunden, müssen sie das durch ein Foto der Hausklingel sowie durch die Funktion «Standort teilen» in der Chat-Software Whatsapp beweisen.
Das VIZ verkaufte 2021 Krankenkassenpolicen von fünf Krankenkassen: CSS, Innova, Sanitas, Swica und Sympany. Für alle fünf Kassen werden den Beratern gleich hohe Provisionen pro Abschluss vergütet. Vermittelt wurden Grund- und Zusatzversicherungen.
Ein ehemaliger Berater berichtete saldo von diversen Tricks, welche die VIZ-Verkäufer anwandten: «Kranke wurden gesundgeschrieben», sagt er. Man habe also gegenüber den Krankenkassen bei einer Zusatzversicherung falsche Angaben gemacht, damit der Vertrag angenommen wurde.
Auch im Beratungsprotokoll sei getrickst worden. Laut Versicherungsgesetz sind Vermittler verpflichtet, die Kunden darüber zu informieren, mit welchen Versicherungen sie zusammenarbeiten.
Die VIZ-Berater listeten dort 17 Versicherungen auf. Auf Anfrage von saldo antwortete mehr als die Hälfte, sie hätten dem VIZ keinen Vermittlungsvertrag erteilt. Zurzeit arbeiten sechs Versicherer im Bereich der obligatorischen Krankenkasse oder Zusatzversicherungen mit dem VIZ zusammen: Concordia, Groupe Mutuel, Helvetia, Innova, Swica und Sympany.
Das VIZ verteidigt sich gegen die Vorwürfe. In Fällen, in denen die Provisionsgarantie nicht erreicht worden sei, habe man die Differenz erlassen. Inzwischen arbeite man bei VIZ im Fixlohnmodell. Den Vorwurf, dass Kranke gesundgeschrieben worden seien, weist das VIZ zurück. Die Nennung diverser Versicherer sei nicht irreführend. Sie beruhe auf vielfältigen Kooperationen, man habe dazu Zusammenarbeitsverträge und agiere auch als Untervermittler von Maklern. Das Teilen von Standortinformationen hätten die Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretung gemeinsam beschlossen.
So überprüft man die Vermittler
Wer sich von Vermittlern beraten lässt, sollte darauf achten, dass diese ungebunden sind. Das garantiert eine unabhängige Beratung. Im Internet-Vermittlerregister der Finma kann man überprüfen, ob ein Vermittler gebunden oder ungebunden ist. Finma.ch > Bewilligung > Versicherungsvermittler > Vermittlerportal: Registersuche.
Alle Krankenkassen und ihre Prämien können auf dem unabhängigen Prämienrechner Priminfo.ch eingesehen und verglichen werden.