Krampfadern könne man «praktisch ohne Schmerzen und Nebenwirkungen loswerden», verspricht das Unispital Basel in einer Medienmitteilung. Der Eingriff sei «schonend» und habe gegenüber anderen Methoden «klare Vorteile».
Die Idee: Der Arzt spritzt einen Klebstoff in die betroffene Vene, um sie zu verschliessen. Der Stoff ist verwandt mit dem Sekundenkleber Cyanacrylat. Das Unispital bietet die Behandlung seit Sommer 2014 an. Auch das Venenzentrum in Arlesheim BL und die Venenpraxis Luzern rühren für die neue Methode die Werbetrommel.
Fachleute raten davon ab. In einem Bericht von 2014 stellte die unabhängige Forschergruppe Cochrane Österreich fest, es gebe keine Ergebnisse aus grossen, unabhängigen Studien. So nahmen 2012 an einer Studie von Venenärzten in den USA nur 38 Betroffene teil. Bei der Hälfte waren nach einem Jahr keine Krampfadern mehr sichtbar. Die Autoren verglichen die Superklebermethode nicht mit einer anderen Behandlung. Deshalb lässt sich laut Cochrane «nicht genau beurteilen, wie gut die Methode wirkt».
Aussagen von Studienteilnehmern wecken Zweifel an der Behauptung des Unispitals Basel, die Methode habe «praktisch keine Nebenwirkungen». Jeder fünfte Patient klagte danach über teils schmerzhafte Entzündungen. Bei einer Person war die Haut noch ein Jahr nach dem Eingriff verfärbt.
Positive Studien entstanden im Auftrag des Herstellers
Kürzlich erschien eine etwas grössere US-Studie: Von gut 200 Patienten behandelten die Forscher die Hälfte mit dem Superkleber. Die Resultate waren ähnlich gut wie bei der etablierten Radiowellenmethode, Nebenwirkungen waren diesmal selten. Langzeitergebnisse fehlen allerdings, die Studie lief nur drei Monate. Zudem finanzierte die Herstellerfirma alle Studien.
Der Venenspezialist Stefan Küpfer aus Bad Ragaz SG ist «erstaunt», dass ausgerechnet ein Spital, das aus Steuergeldern finanziert wird, für die Klebstoffmethode wirbt: «Meines Erachtens ist die Behandlung noch viel zu wenig erforscht.»
Kommt dazu: Der Klebstoff Cyanacrylat kann bei intensivem Kontakt Allergien und Asthma auslösen. Zwar setzen Ärzte den Stoff auch ein, um starke Blutungen zu stillen – allerdings nur in winzigen Mengen. Die Ärztin Andrea Braun vom Venenzentrum Zürcher Oberland gibt zu bedenken: «Eine Krampfader ist oft ein bis zwei Zentimeter dick. Da braucht es eine wesentlich grössere Menge Klebstoff, um sie zu verschliessen.»
Braun rät zurzeit von der Methode ab: «Es ist zu wenig geklärt, wie viel Klebstoff in die Blutbahn und in die anderen Organe gelangt und was damit über Monate und Jahre passiert.» Das Venenzentrum Arlesheim verkauft den Eingriff auf seiner Internetseite als «revolutionär». Im Gegensatz zu anderen Therapien könne der Patient in kürzester Zeit zur Arbeit zurückkehren. Venenarzt Küpfer widerspricht: «Auch bei Methoden wie der Laser- oder Radiowellentherapie können die Patienten schon wenige Tage nach dem Eingriff wieder arbeiten.»
Krampfadern entstehen, wenn Venenklappen nicht mehr richtig funktionieren. Diese kleinen Ventile in den Blutgefässen sorgen dafür, dass das Blut Richtung Herz fliesst. Versagen sie, staut sich das Blut in den Venen. Das ist unschön, aber in den meisten Fällen harmlos.
In leichteren Fällen sind die sanften Methoden ratsam
Gesundheitstipp-Arzt Thomas Walser empfiehlt, zuerst sanfte Methoden zu probieren, etwa Kompressionsstrümpfe. Beliebt ist auch Kneippen. «Nur wer stark leidet, sollte sich einen Eingriff überlegen», sagt Walser. Beispiel: Krampfadern an den Oberschenkeln. Sie ziehen oft Komplikationen nach sich und sollten entfernt werden. Am besten untersucht ist die Operation, das sogenannte Stripping. Dabei durchtrennt der Arzt die Krampfadern an beiden Enden und zieht sie heraus. Daneben gibt es mehrere Methoden, bei denen der Arzt die Vene von innen behandelt. Er verwendet einen dünnen Schlauch, einen sogenannten Katheter. Mit Schaum, Laser oder Radiowellen wird die Venenwand gereizt. Die Vene zieht sich zusammen und verklebt, es fliesst kein Blut mehr durch.
Das Unispital Basel hält die Studien zur Klebstofftherapie für ausreichend. Es sei zudem «für eine neue Methode nicht unüblich», dass Studien vom Hersteller gesponsert würden. Bei den Patienten habe es «weniger Blutungen» gegeben, so das Spital. Es räumt jedoch ein: «Die häufigste Nebenwirkung sind oberflächlich entzündete Venen.» Dies könne man mit Medikamenten «in der Regel gut behandeln».
Das Spital bestätigt, dass unbekannt sei, welche «potenziell schädlichen Effekte» mit der Zeit auftreten könnten. Berichte über Allergien oder Asthma nach Behandlungen seien nicht bekannt. Trotzdem wende man die Methode «nur in ausgewählten Fällen» an. Die Venenpraxis Luzern schreibt, sie biete das Verfahren zwar an, habe es aber bislang nicht angewendet.