Viele Patienten erhalten ein Kontrastmittel gespritzt, bevor sie im Kernspingerät (MRI) oder im Computertomografen (CT) untersucht werden. Die Flüssigkeiten helfen, Organe oder Gefässe des Patienten auf den Bildern deutlich sichtbar zu machen.
Die Krankenkassen zahlten 2019 für Kontrastmittel rund 72 Millionen Franken. Zwei Drittel davon entfielen auf rund 440 000 MRI-Anwendungen, ein Drittel auf über 1,5 Millionen CT- und Röntgen-Untersuchungen. Das ergeben die Auswertungen des Krankenkassenverbands Curafutura.
Das Bundesamt für Gesundheit bewilligt viel zu hohe Preise
saldo-Recherchen zeigen: Das Bundesamt für Gesundheit hat für Kontrastmittel viel zu hohe Preise bewilligt. Beispiele:
Eine Spritze mit 20 Millilitern des MRI-Kontrastmittels Dotarem kostet laut amtlich festgelegtem Preis in der Schweiz Fr. 117.70. In Deutschland verlangt der Hersteller dafür umgerechnet Fr. 21.40 – nicht einmal ein Fünftel. Für einen Liter Dotarem muss man in der Schweiz 5885 bis 7540 Franken zahlen. In Deutschland bekommt man den Liter bereits für 1070 Franken. Das zeigt eine Rechnung des deutschen Dotarem-Herstellers Guerbet. saldo erhielt sie vom deutschen Rechercheverbund NDR, WDR und «Süddeutsche Zeitung». Schweizer Krankenkassen gaben für Dotarem im vergangenen Jahr rund 24 Millionen Franken aus – mehr als für jedes andere Kontrastmittel.
Ein Liter des MRI-Mittels Dotagraf kostet 3568 bis 5895 Franken in der Schweiz. In Bayern (D) zahlen Ärzte für die gleiche Menge des Präparats nur 813 Franken. saldo liegt die Offerte des Herstellers vor. Sie wurde ebenfalls vom deutschen Rechercheverbund zur Verfügung gestellt.
Schweizer Krankenkassen gaben im vergangenen Jahr für MRI-Kontrastmittel in der Regel über 5000 Franken pro Liter aus. In Bayern vergüten die Kassen seit 1. Oktober 2019 nur noch maximal 1038 Franken pro Liter. In den Bundesländern Schleswig-Holstein und Berlin zahlen sie sogar nur rund 856 Franken.
Bei Röntgen-Kontrastmitteln verhält es sich ähnlich wie bei den MRI-Mitteln: In Bayern erstatten Kassen rund 12 Rappen pro Milliliter für ein nichtionisches Mittel. Dazu gehört etwa Xenetix. Schweizer Kassen zahlen für das Präparat im Minimum 87 Rappen pro Milliliter. Das ist sechs Mal mehr als in Bayern. Bei solchen Gewinnspannen kann sich die Xenetix-Lieferantin Guerbet AG in Zürich grosszügig zeigen. Die Firma bot vor kurzem einem Kunden 10 Prozent Rabatt auf den amtlichen Preis an, wenn dieser Xenetix für 15 000 Franken pro Jahr abnimmt. Die Offerte liegt saldo vor.
Helsana: Prämienzahler könnten bis zu 80 Prozent sparen
Ivan Tomka, Leiter Wirtschaftlichkeitskontrolle der Helsana-Versicherung, hat berechnet, dass Schweizer Prämienzahler bei Kontrastmitteln bis zu 80 Prozent der Kosten sparen könnten, wenn die Krankenversicherungen nur die deutschen Einkaufspreise bezahlen müssten.
Ein Sprecher des Bundesamtes für Gesundheit bestreitet die hohen Preise in der Schweiz nicht. Die Behörde vergleiche den Preis eines Mittels mit den Kosten für bereits in der Schweiz zugelassene Medikamente, die zur Behandlung derselben Krankheit verwendet werden. Zudem berücksichtigen die Behörden die Mittelwerte der Preise aus neun europäischen Ländern wie Deutschland, Frankreich oder Österreich.
Für den Medikamentenexperten Andreas Schiesser vom Krankenkassenverband Curafutura zeigen die hohen Kontrastmittelpreise die Schwächen des amtlichen Preisfestsetzungsverfahrens für Medikamente. So begnüge sich das Bundesamt damit, offizielle Listenpreise in hochpreisigen europäischen Ländern zu berücksichtigen. Die dortigen Kassen zahlten aber erheblich tiefere Preise. Grund: In der Regel verhandeln Behörden oder Ärzteverbände direkt mit den Herstellern. Allerdings vereinbaren sie über die Preise Stillschweigen.
Neue Regeln für die Preisfestsetzung gefordert
Medikamentenexperte Schiesser fordert Preissenkungen. Mittelfristig brauche es neue Regeln zur Preisfestsetzung für Kontrastmittel. Sie sollten nicht mehr als Medikamente gelten, sondern wie in Deutschland als Verbrauchsmaterial. Die Flüssigkeiten sollten pauschal zusammen mit der MRI-, CT- oder Röntgen-Aufnahme vergütet werden. Ärzte und Spitäler sollten Kontrastmittel im Ausland einkaufen oder ihre Preise direkt mit den Herstellern aushandeln dürfen.