Konsument Frenkel: Einmal die Gravur, bitte!
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saldo 08/2018
02.05.2018
Beni Frenkel
Seit über zwanzig Jahren fahre ich fast täglich mit dem Tram die Zürcher Bahnhofstrasse entlang. Manchmal betrachte ich die Schaufenster der Luxusläden und überlege mir, wie diese Geschäfte wohl innen aussehen.
Bisher war die Furcht vor den bulligen Sicherheitsleuten am Eingang stets grösser als meine Neugierde. Ich wagte mich darum nicht hinein.
Letzte Woche aber schaute ich mir den Louis-Vuitton-...
Seit über zwanzig Jahren fahre ich fast täglich mit dem Tram die Zürcher Bahnhofstrasse entlang. Manchmal betrachte ich die Schaufenster der Luxusläden und überlege mir, wie diese Geschäfte wohl innen aussehen.
Bisher war die Furcht vor den bulligen Sicherheitsleuten am Eingang stets grösser als meine Neugierde. Ich wagte mich darum nicht hinein.
Letzte Woche aber schaute ich mir den Louis-Vuitton-Laden an. Ich wollte verstehen, wie Frauen ticken. Viele sind mit langweiligen und trotzdem teuren Louis-Vuitton-Taschen behängt. Das lässt mich mehr und mehr an ihrem guten Geschmack zweifeln.
Der Arnold Schwarzenegger an der Tür kickte mich wider Erwarten nicht wieder auf die Strasse, sondern strahlte mich an. Kaum hatte ich das Ladeninnere betreten, schoss eine sehr freundliche Frau auf mich zu. Sie war Beraterin. Ich bekam sogar eine kleine Privatführung durch das Haus. So einen Kundenservice erlebe ich bei Coop, Migros & Co. nur selten.
Dann setzten wir uns hin. Ich gab vor, dass ich meiner Frau etwas Schönes kaufen wolle. «Sie hat bald Geburtstag».
Meine Beraterin fing Feuer: «Was wünscht sich Ihre Frau Gemahlin denn genau?» – «Ein rotes Portemonnaie.» Dann guckte ich mir die Preise an – und verstummte.
Die Beraterin deutete meinen Blick richtig: «Eine persönliche Gravur kostet dafür nichts!», sagte sie.
Ich war erleichtert. «Alles klar. In diesem Fall kaufe ich nur die Gravur.»