Berichte im «Tages-Anzeiger» sorgten im Dezember für Aufsehen: Sie zeigten, wie Hersteller immer neue Implantate auf den Markt bringen – und diese oft zu gesundheitlichen Problemen führen («Gesundheitstipp» 12/2018). Jetzt gerät auch ein neues Kniegelenk-Implantat in die Kritik der Fachleute. Das sogenannte Ligamys wird bei Kreuzbandrissen eingesetzt und besteht aus einem Kunststofffaden, der mit einer Metallfeder und einer Schraube im Unterschenkel verankert ist. Ärzte setzen den Faden parallel zum gerissenen Band ein. Der Hersteller verspricht, mit dem Implantat wachse das Band schneller zusammen.
«Der Nachweis des Nutzens ist bis heute nicht gelungen»
Eine neue Studie des Berner Inselspitals und des niederländischen Erasmus Medical Center kommt zu einem anderen Schluss. Die Ärzte stellten ihre Studie im letzten Oktober an einem Kongress vor. Ihr Fazit mit 62 Patienten ist ernüchternd: Ligamys trägt nichts zur Heilung bei. Bei Patienten, die kein Implantat erhielten, heilte das verletzte Knie sogar besser als bei solchen, die mit Ligamys operiert wurden.
Der Winterthurer Kniespezialist Luzi Dubs sagt, die Idee des Implantats sei nachvollziehbar. «Der Nachweis des Nutzens ist aber bis heute nicht gelungen.»
Eine Studie der Medizinischen Universität Graz mit 18 Patienten zeigte vor einem Jahr, dass das Kreuzband nach der Ligamys-Operation häufiger wieder reisst.
Fazit: «Die hohen Erwartungen an Ligamys wurden nicht erfüllt.» Auch Peter Koch, Leiter Kniechirurgie am Kantonsspital Winterthur, steht dem Implantat skeptisch gegenüber. Falls eine zweite Operation nötig werde, mache das Loch im Knochen diese komplizierter.
Hersteller räumt ein, dass die Heilung verzögert wird
Das Expertengremium Swiss Medical Board empfahl schon 2009, auf Knieoperationen zu verzichten und stattdessen Physiotherapie zu verschreiben («Gesundheitstipp» 2/2013).
Die Firma Mathys, Hersteller des Ligamys-Implantats, räumt ein, dass das Implantat die Heilung des gerissenen Kreuzbandes um einige Monate verzögere. Allerdings sei die Heilung ohne Implantat nur in Ausnahmefällen oder bei Teilrissen möglich. Das Loch im Knochen sei «nur unwesentlich grösser» als bei der normalen Kreuzbandoperation. Die Schraube könne man ohne negativen Einfluss auf eine allfällige zweite Operation wieder entfernen.
Der Berner Chirurg Stefan Eggli entwickelte das Implantat. Er sagt, mehr als 20 andere Studien hätten «meist positive Resultate» der Ligamys-Technik gezeigt. Einen Teil dieser Studien finanzierte jedoch der Hersteller.
Eggli sagt, die Behandlung nur mit Physiotherapie sei für ältere Patienten geeignet, die wenig Sport trieben.
Viele jüngere, sportlich ehrgeizige Patienten, die anfänglich nur mit Physiotherapie behandelt würden, liessen sich später doch noch operieren.