Kleines Haus, grosses Geheimnis
Kantone und Städte verkaufen immer mehr Liegenschaften an Private. Die Steuerzahler erfahren aber meist nicht, zu welchem Preis die Häuser die Hand wechseln.
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saldo 15/2014
24.09.2014
Thomas Lattmann
Die Stadt Winterthur ist knapp bei Kasse. Deshalb spart die Stadt an allen Ecken und Enden, hebt Gebühren an, droht mit Steuererhöhungen – und verkauft Liegenschaften. Zum Verkauf vorgesehen sind innert zwei Jahren 22 Häuser.
Aufmerksamkeit erregen vor allem der Verkauf zweier städtischer Restaurants sowie des kleinsten Hauses der Altstadt. Wie viel Geld die Stadt dafür genau erhält, erfährt die Öffentlichkeit nicht. Die Zahlen erfa...
Die Stadt Winterthur ist knapp bei Kasse. Deshalb spart die Stadt an allen Ecken und Enden, hebt Gebühren an, droht mit Steuererhöhungen – und verkauft Liegenschaften. Zum Verkauf vorgesehen sind innert zwei Jahren 22 Häuser.
Aufmerksamkeit erregen vor allem der Verkauf zweier städtischer Restaurants sowie des kleinsten Hauses der Altstadt. Wie viel Geld die Stadt dafür genau erhält, erfährt die Öffentlichkeit nicht. Die Zahlen erfahren nur die Mitglieder der parlamentarischen Aufsichtskommission, die dem Sitzungsgeheimnis unterstehen.
Stadträtin Yvonne Beutler (SP) verteidigt die Geheimniskrämerei: «Es geht darum, die Privatsphäre der Personen zu schützen, die eine Liegenschaft erworben haben. Nicht jeder möchte, dass der Nachbar und die ganze Stadt wissen, wie viel er für sein Zuhause bezahlt hat.» Sie verweist auf die Jahresrechnung. Dort sind aber nur summarisch die Buchgewinne vermerkt. Im Jahr 2013 betrugen diese bei den Liegenschaften 6,2 Millionen Franken.
Der Winterthurerin Eva Oeggerli genügt das nicht. In einem Leserbrief im «Landboten» kritisiert sie die Stadt. Städtische Liegenschaften seien Vermögenswerte, die den Steuerzahlern gehören. Sie fordert, dass die Stadt über die Preise informiert. Sonst setze sie sich dem Verdacht aus, Liegenschaften unter Wert zu verkaufen.
Winterthur ist kein Einzelfall. Eine Umfrage von saldo bei acht Kantonen und sechs Städten zeigt, dass die meisten Gemeinwesen die Verkaufspreise von Liegenschaften und Baugrundstücken unter Verschluss halten. Beispiele:
- Kanton Bern: Der Kanton verkauft pro Jahr zwischen 30 und 60 Liegenschaften und Landparzellen. Über die Preise wird die Öffentlichkeit nicht informiert. Begründung: Das Informationsgesetz sehe eine Ausnahme vor, wenn überwiegend private Interessen tangiert seien. Das sei bei Liegenschaftsverkäufen der Fall. Zudem sei eine Veröffentlichung von Kaufpreisen in der Immobilienbranche unüblich.
- Kanton Zürich: Die Behörden argumentieren ähnlich. Der Schutz der Privatsphäre der Käufer überwiege das öffentliche Interesse fast immer. Ein allfälliges Geheimhaltungsinteresse eines Käufers gewichtet der Kanton also stärker als den Anspruch des Steuerzahlers auf eine transparente Verwaltung.
- Kanton Basel-Stadt: Hier heisst es, der Kanton müsste im Wettbewerb Nachteile in Kauf nehmen, wenn die Preise publik würden. Es würden sich möglicherweise weniger Interessenten für die Liegenschaften finden. Es geht aber auch anders:
- Kanton Uri: Hier gilt beim Verkauf von Liegenschaften und Grundstücken das Öffentlichkeitsprinzip. Sprich: Die Verkaufsbeträge werden in der Kantonsrechnung offengelegt. Will jemand vor Erscheinen der Rechnung die Preise wissen, werden sie bekanntgegeben.
- Stadt Zug: Auch hier wird transparent informiert: Bei Verkaufspreisen über einer Million Franken informiert die Stadt aktiv, bei tieferen Preisen auf Nachfrage.
- Stadt Zürich: Alle Verkäufe werden im jährlichen Geschäftsbericht aufgelistet. So erfährt man, dass die Stadt 2013 das Wohnhaus Chätschstrasse 4 in Rümlang ZH für 0,8 Millionen an eine Privatperson verkauft hat.