Am 15. Januar 2015 gab die Schweizerische Nationalbank den Euro-Mindestkurs auf. Der Euro sank von Fr. 1.20 auf 1.03. Mittlerweile hat er sich bei gut Fr. 1.08 eingependelt. Für Schweizer Händler und Importeure bedeutet dies, dass sie Waren im Euro-Ausland günstiger einkaufen. Und zwar um ziemlich genau 10 Prozent.
Verkaufen die Händler die günstig eingekaufte Ware in der Schweiz entsprechend billiger? Geben sie den Währungsvorteil an die Konsumenten weiter? saldo wollte es genau wissen und hat die Preise verschiedener Warengruppen vom Dezember 2014 mit den Preisen im Dezember 2015 verglichen.
Basis war der Landesindex für Konsumentenpreise des Bundesamts für Statistik. Der Index misst Monat für Monat die Preisentwicklung von Waren und Dienstleistungen. Resultat: Im Vergleich zum Dezember 2014 war die Teuerung im Dezember 2015 negativ und betrug minus 1,3 Prozent. Textilien aber wurden im letzten Jahr nicht günstiger. Im Gegenteil: Sie schlugen um 0,6 Prozent auf. Schuhe wurden sogar 1,4 Prozent teurer.
Bei den Kleidern beträgt der Importanteil 77 Prozent. Das geht aus der neusten Detailhandelsstudie der Credit Suisse hervor.
Andere Branchen geben tiefere Einstandspreise an die Kunden weiter
Während die Textilien und Schuhe aufschlugen, liessen andere Branchen die Kundschaft vom tieferen Eurokurs profitieren. Die Gesamtheit der Importgüter wurde nämlich um durchschnittlich 3,8 Prozent günstiger. Der Anteil der Importe aus Euro-Ländern betrug rund 42 Prozent.
Autos, Kosmetika, Musikinstrumente oder Elektronik günstiger
Beispiele: Neue Autos wurden innert Jahresfrist um 4,6 und Motorräder um 9,7 Prozent billiger. Bei Musikinstrumenten beträgt der Preisrückgang 6,7, bei Unterhaltungselektronik gut 10 Prozent. Für Toilettenartikel wie Shampoo, Zahnpasta oder Kosmetika zahlen Konsumenten in der Schweiz 3,8 Prozent weniger, für Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke 1,2 Prozent weniger, bezogen auf Import- und Inlandgüter.
Die Kleider- und die Schuhbranche müssen sich den Vorwurf gefallen lassen, die günstigeren Einkaufspreise nicht an die Kunden weiterzugeben. Armin Haymoz, Geschäftsführer von Swiss Fashion Stores, dem Netzwerk der Modefachgeschäfte, widerspricht: «Ich weiss nicht, wie die Statistiker des Bundes zu solchen Zahlen kommen. Tatsache ist, dass der Wettbewerbsdruck in der Bekleidungsbranche sehr gross ist und es sich niemand leisten kann, die Preise hoch zu halten.»
Am Zoll wurden über 60 Prozent der Importe in Euro abgerechnet
Auch Andreas Brügger von den Modeketten Schild und Globus weist den Vorwurf zurück. Je nach Marke und Lieferant habe man die Preise für Kleider aus dem Euroraum zwischen 4 und 12 Prozent gesenkt. Die Ketten Charles Vögele, H&M, C&A sowie Zara behaupten, dass der Grossteil ihres Sortiments von ausserhalb Europas stamme und in Dollar abgerechnet werde.
Dosenbach/Ochsner Shoes gibt an, dass die eigenen Durchschnittsschuhpreise «im zweistelligen Bereich unter dem Vorjahr» liegen. Daniel Walder vom Schuhhaus Walder weist den Vorwurf, Währungsvorteile nicht weitergegeben zu haben, «energisch» zurück. «Nachweisbar» würden die Verkaufspreise bei Walder «fast 10 Prozent» tiefer liegen als im Vorjahr.
Die Zahlen des Bundesamts für Statistik ergeben ein anderes Bild. Die Statistik widerspricht auch der Behauptung der Kleiderketten, die Ware vorwiegend in Dollar abzurechnen. Laut der Eidgenössischen Zollverwaltung wurden von Januar bis November nur 12,6 Prozent der importierten Waren im Bereich Bekleidung, Textilien und Schuhe in Dollar abgerechnet. Der Löwenanteil von 62,5 Prozent erfolgte in Euro.