Keine Grenzwerte für Chemiecocktails
Die Wirkungen von hormonaktiven Chemikalien können sich gegenseitig verstärken – das zeigt eine neue Studie. Grenzwerte gibt es aber nur für die einzelnen Stoffe.
Inhalt
saldo 18/2018
06.11.2018
Letzte Aktualisierung:
15.11.2018
Thomas Lattmann
Man findet sie in Lebensmitteln, Plastik, Textilien, Haushaltsprodukten oder Kosmetika: Chemikalien, die wie Hormone wirken. Zum Beispiel stecken Rückstände des Pestizids Chlorpyrifos in Äpfeln (saldo 17/2018), Weichmacher in Regenjacken, Bisphenol A in Getränkedosen oder Triclosan in Deos (saldo 6/2015). Menschen und Tiere nehmen hormonaktive Stoffe &uum...
Man findet sie in Lebensmitteln, Plastik, Textilien, Haushaltsprodukten oder Kosmetika: Chemikalien, die wie Hormone wirken. Zum Beispiel stecken Rückstände des Pestizids Chlorpyrifos in Äpfeln (saldo 17/2018), Weichmacher in Regenjacken, Bisphenol A in Getränkedosen oder Triclosan in Deos (saldo 6/2015). Menschen und Tiere nehmen hormonaktive Stoffe über das Essen, die Haut oder die Luft auf.
Ein Forscherteam um den Biochemiker Timo Strünker von der Uni Münster (D) zeigte bereits vor vier Jahren auf, dass viele hormonaktive Chemikalien die Funktion menschlicher Spermien beeinträchtigen können.
Neu belegt Strünker, dass sich hormonaktive Chemikalien gegenseitig beträchtlich verstärken können. Die Forscher untersuchten dazu einen Wachstumsbeschleuniger, den Bauern in der Viehmast einsetzen, und einen UV-Filter, der in Sonnencremes und Kosmetika vorkommt.
Umweltämter Luzern und Aargau üben schon lange Kritik
Das Problem: Grenzwerte gibt es nur für einzelne hormonaktive Stoffe, nicht aber für Kombinationen.
Eva van Beek vom Bundesamt für Lebensmittelsicherheit räumt ein, dass der Bund nur bei Stoffen mit bekannter ähnlicher Wirkung «Summenhöchstwerte» festlege. Bis problematische Mischungen hinsichtlich Verstärkungseffekt identifiziert und entsprechende Grenzwerte festgelegt seien, dauere es noch Jahre.
Die Umweltämter der Kantone Luzern und Aargau kritisierten bereits im Mai 2011 die Grenzwerte für Einzelstoffe. Es sei klar, dass sich die Wirkung mehrerer einzelner Pestizide etwa in Gewässern addiere (saldo 17/2011). Viele Lebensmittel sind voll von Pestizid-Rückständen. Das zeigen Tests und amtliche Kontrollen (saldo 2/2018). saldo fordert schon seit Jahren Summengrenzwerte für Pestizide und hormonaktive Stoffe.