Flauschiger Pelz säumt die schwarzen Handschuhe. Das Paar liegt sanft beleuchtet bei Chanel an der Zürcher Bahnhofstrasse. Die Etikette verrät nur den Preis: 1810 Franken. Die Verkäuferin ist begeistert. Sehr, sehr spezielle Kaninchen seien das gewesen. Sie eilt davon, kommt zurück und entschuldigt sich: «Nein, keine Kaninchen, aber sehr, sehr spezielle Chinchillas.» Und fügt im Brustton der Überzeugung hinzu: «Die Tiere werden mit klassischer Musik aufgezogen.»
Ein paar Häuser weiter, bei Modissa. Die Verkäuferin ist verlegen: «Wir haben so viel Pelz.» Ihre Wangen röten sich. Hilfesuchend dreht sie die Etiketten einer Jacke mit Pelzkragen hin und her. «Racoon» steht dort. Damit kann die junge Frau nichts anfangen. Sie fragt eine Kollegin. «Waschbär», meint diese. Mehr wisse sie nicht. «Aber», sagt sie leise, «ich habe gehört, der meiste Pelz kommt aus China.»
Wer in der Schweiz Pelz oder Pelzprodukte kauft, hat Anspruch auf detaillierte Auskunft (siehe Kasten). Die Läden sollten anhand spezieller Etiketten Informationen geben über Tierart, Herkunft und ob das Tier gejagt oder gezüchtet wurde. Ungenügend beschriftete Ware dürfen sie nur noch bis Ende Februar 2014 verkaufen.
Wenn der Fuchs zum Waschbär wird und das Kaninchen zum Biber
Der Pelzkragen an der Jacke von Kookaï ist so pompös, dass er beinahe den Kopf der Kundin verschluckt. «Ein wunderschöner Fuchs», lobt die Verkäuferin. Das irritiert, steht doch auf der Etikette «Racoon» – was bei Modissa noch Waschbär war. Die Angestellte deutet die Verunsicherung als fehlendes Kaufinteresse und präsentiert ein anderes Modell. «Hier haben wir Waschbär.» Nein, keine Zucht. Sie strahlt. Die Tiere würden in der Wildnis der USA leben. «Dort werden sie gefangen, geschoren und wieder freigelassen, bis der Pelz nachwächst.» Was steht auf der Etikette zur Herkunft? Nichts.
Gleich auch bei Burger an der Zürcher Bahnhofstrasse: Zwei Mäntel mit Pelzkragen hängen an einer Stange, ohne Deklaration.
Chanel, Modissa, Kookaï und Burger sind nur vier von vielen Läden, welche die Pelzdeklaration noch nicht umgesetzt haben. saldo hat sich in 80 Kleiderläden umgesehen, die Hälfte davon verkauft Pelz. Da hängen Fuchs, Waschbär, Nerz, Marderhund, Kojote, Kaninchen, Zobel, Chinchilla, Bison, Biber, Murmeltier. 39 Läden bezeichnen ihre Ware nicht nach der neuen Vorschrift. Jeder zweite Laden erwähnt nicht einmal die Tierart.
Der Verkäufer von Louis Vuitton betrachtet ein 725 Franken teures mit Pelz gefüttertes Paar Schuhe ratlos. Auch hier kein Hinweis zur Art des Pelzes. Kaninchen, vermutet er. Und dieses Paar für 1690 Franken? Auch Kaninchen, sicher. Die Kundin will mehr wissen. Der Produktkatalog muss her. «Beaver», heisst es da. Also Biber, nicht Kaninchen.
In Pelzfachgeschäften ist die Auskunft professioneller
«Eine herrliche Tasche, das letzte Stück.» Die Mitarbeiterin des Edelladens Tod’s streicht über den Pelz des 2510 Franken teuren Modells. Die Kundin sucht nach Etiketten, erfolglos. Ein erstklassiger Nerz, versichert die Verkäuferin. Ihre Kollegin korrigiert: Bison, das sei doch Bison.
Die Zürcher Boutique Vestibule verkauft viele Kleider mit Pelzkrägen. Eine Jacke für 1200 Franken? Die Angestellte zupft am Pelz: «Das ist Kojote, gezüchtet.» Die Kundin geht in die Knie, sucht erneut nach Etiketten. Made in Poland. «Murmansky» steht da auch noch. Das Internet klärt auf: Murmansky heisst Marderhund. Von Kojoten keine Spur.
Eine Strasse weiter bei Dee Cee Style. Der Pelz an einer Herrenjacke sticht heraus. Der Angestellte tippt auf Polarfuchs, der sei besonders warm. «Finnish Marmotte» steht auf der Etikette, klingt nicht nach Fuchs. Die Lösung folgt via Internet: Marmotte ist Murmeltier.
Auf mehr Fachkenntnis stösst saldo in Pelzgeschäften. Doch auch hier hapert es mit der Deklaration. Bei A.C. Bang an der Zürcher Bahnhofstrasse schlüpft die Kundin in einen Mantel für 35 000 Franken. In der Tasche findet sie eine Etikette. Nerz und Zobel. Die Geschäftsführerin weiss mehr: Die Zuchttiere stammten aus Skandinavien und Russland. Dort würden sie gut behandelt. «Pelztiere reagieren gleich wie Hunde und Katzen: Werden sie nicht gut behandelt, wird ihr Fell stumpf.» So etwas liesse sich nicht verkaufen.
Deklaration: Neue Vorschriften lassen viel Spielraum
Nur eines der 40 Geschäfte mit Pelzen im Angebot beschriftete sämtliche Produkte, wie es die Deklaration verlangt:Krause Fashion im Zürcher Shoppingcenter Sihlcity. Die Etiketten geben Auskunft über Tierart, Herkunft, Aufzucht oder Jagd. Doch selbst diese Angaben sind nicht wirklich erhellend. Zur Jacke mit Kragen steht auf der Krause-Fashion-Etikette: «Kann aus Fallenjagd oder Jagd ohne Fallen oder aus jeder möglichen Haltungsart, insbesondere auch aus der Käfighaltung stammen.» Ja was denn nun?
Auch bei Bata liest die Kundin auf den speziellen Etiketten: «Von Bauern gezüchtet.» Klingt idyllisch. Doch die restlichen Angaben wecken Misstrauen. Waschbär bei der Jacke, Kaninchen bei den Handschuhen. Herkunft: China.
Ein Blick in die Deklarationsverordnung zeigt: Die Angabe «von Bauern gezüchtet» ist nicht erlaubt. Bei Zuchttieren müsste Bata angeben, ob Herdenhaltung, Rudelhaltung, Käfighaltung mit Naturböden oder Käfighaltung mit Gitterböden.
Big und Transa verkaufen nur wenige Kleider mit Pelz. Hier liefern die Hersteller die nötigen Angaben. Manor, Jelmoli und Pasito deklarieren ihre Pelzprodukte zumindest teilweise nach der neuen Vorschrift.
Von den 36 Geschäften, welche die Pelze nicht oder nur mangelhaft anschrieben, reagierten 21 auf die Fragen von saldo. Alle versichern hoch und heilig, ihre Ware in den kommenden Monaten vollständig zu deklarieren.
«Kann aus jeder Haltungsart stammen»
Für Pelz und Pelzprodukte gilt seit dem 1. März 2013 eine Deklarationspflicht. Konsumenten sollen erfahren, woher und von welchem Tier der Pelz stammt und ob das Tier gejagt oder gezüchtet wurde. Bei Zuchttieren soll unter anderem ersichtlich sein, ob die Tiere in Käfigen auf Gitterböden oder mit Einstreu gehalten wurden.
Dank der Kennzeichnung sollen Konsumenten laut Bundesamt für Veterinärwesen beim Kauf von Pelz und Pelzprodukten «eine bewusste Entscheidung» treffen können.
Doch die Verordnung sieht Ausnahmen vor – und öffnet so Herstellern und Geschäften Schlupflöcher. Lässt sich die Herkunft nicht einem Land oder geografischen Raum zuordnen, darf die Angabe «Herkunft unbekannt» verwendet werden. Ist die Art der Gewinnung unbekannt, gilt die Deklaration «Kann aus Fallenjagd oder Jagd ohne Fallen oder aus jeder möglichen Haltungsart stammen».
Pelzprodukte, welche die neuen Vorschriften nicht erfüllen, dürfen bis 28. Februar 2014 verkauft werden.