Kaschmir ist das feine Unterhaar der Kaschmirziegen. Es wird den Tieren im Frühling beim Fellwechsel ausgekämmt, etwa 150 Gramm pro Ziege. Pro Pullover wird der Flaum von drei bis fünf Tieren benötigt. Kaschmir gilt als Edelgarn. Trotzdem verkaufen Händler wie Zalando, C & A und Landi Damen- und Herrenpullover aus «100 Prozent Kaschmir» für unter 80 Franken. Erhält man dafür tatsächlich einen Pulli aus reiner Kaschmirwolle?
Fasern von 20 Pullovern im Labor analysiert
saldo und Kassensturz machten eine Stichprobe. Sie kauften 20 Damen- und Herrenpullover in verschiedenen Läden und Onlineshops. Alle Produkte bestanden gemäss Etiketten aus 100 Prozent Kaschmir. Ein Experte prüfte jeden Pullover auf seine Reinheit (siehe Kasten «So wurde getestet»). Die Produkte kosteten zwischen Fr. 64.95 («Atrium», Landi) und 340 Franken («Joseph», Bongénie Grieder). Die meisten stammten aus China. Bei sieben Pullovern fehlte die Herkunftsangabe.
Das Ergebnis: Keiner der 20 Händler hat geschummelt. Alle Produkte bestanden aus reinem Kaschmir.
Das war nicht immer so. 2001 testete saldo acht Pullover, die mit «100 Prozent Kaschmir» deklariert waren. Nur zwei davon waren aus reinem Kaschmir (Modissa, Grieder). 2012 schickte der «Kassensturz» zwölf Kaschmirpullis ins Labor: Drei Produkte enthielten Fremdfasern (gekauft bei C & A, Schild, Benetton).
Die meisten Geschäfte geben an, ihre Kaschmirware zu kontrollieren. La Redoute schreibt: «Wir sind uns des Risikos von Fälschungen bewusst.» Ein externes Labor teste alle Kaschmirprodukte. PKZ, Landi und Galaxus vertrauen den Lieferanten.
Zur fehlenden Herkunftsangabe schreiben Landi, Manor, Peter Hahn und PKZ: Die Deklaration des Produktionslands sei gesetzlich nicht vorgeschrieben.
«Schlecht verarbeiteter Kaschmir fühlt sich nach dem Waschen rau an»
saldo: Herr Phan, saldo kaufte insgesamt 20 Kaschmirpullover. Einige waren wunderbar weich, andere rau. Weshalb?
Kim-Hô Phan: Kaschmir ist nicht gleich Kaschmir. Je feiner die Fasern, desto weicher fühlt sich der Pullover an. Auch sehr locker gestrickte Ware hat einen weichen Griff.
Wie erkennen Konsumenten gutes Kaschmir?
Die Qualität hängt von der Feinheit, Länge, Farbe und dem Durchmesser der Fasern ab. Konsumenten erkennen minderwertiges Kaschmir erst nach dem Kauf. Zu kurze Fasern führen rasch zu Faserkügelchen. Schlecht verarbeitetes Kaschmir verformt sich schnell und fühlt sich nach dem Waschen hart und rau an.
Die geprüften Pullover kosteten zwischen 60 und 340 Franken. Heisst teurer auch besser?
Nicht unbedingt. Die Preise richten sich nach der Qualität des Rohmaterials. Für ein Kilo gutes Kaschmir zahlen Produzenten 100 bis 150 Franken. Schlechte Qualität gibt es ab 40 Franken. Auch die Verarbeitung und nicht zuletzt die Marge und der Markenname beeinflussen den Preis.
Wie oft stossen Sie auf falsch deklarierte Ware?
Früher fanden wir in über 60 Prozent der analysierten Waren Fremdfasern, die nicht deklariert waren. Heute noch in etwa 20 Prozent. Gefälschte Produkte enthalten oft Wolle von Schafen oder Yaks, einer Rinderart. Unehrliche Lieferanten machen Fremdfasern mit Chlor, Säure und Silikon weicher oder verwenden gar Kunstfasern. Übrigens: In «reinem» Kaschmir sind laut Gesetz bis zu drei Prozent Fremdfasern erlaubt.
Händler wie H & M verkaufen Produkte aus rezykliertem Kaschmir. Was halten Sie davon?
Aus ökologischer Sicht ist Recycling gut. In der Mongolei und in China leben 10 Millionen Kaschmirziegen. Sie fressen das Gras samt den Wurzeln. Das führt zur Versteppung. Aus getragenen Produkten hochwertige Ware herzustellen ist aber schwierig.
Wie bleibt Kaschmir länger schön?
Kaschmirprodukte mit einem Wollwaschmittel und von Hand in lauwarmem Wasser waschen. Danach mit kaltem Wasser ausspülen, bis die Flüssigkeit klar ist. Anschliessend auf einem Tuch ausbreiten und bei Zimmertemperatur trocknen lassen.
So wurde getestet
saldo kaufte im Oktober in 20 Läden und Internetshops je 10 Damen- und Herrenpullover. Alle waren gemäss Deklaration aus «100 Prozent Kaschmir». Der Echthaaranalytiker Kim-Hô Phan prüfte im Labor in Herzogenrath (D) die Echtheit.
Phan entnahm den Vorder- und Rückenteilen sowie den Ärmeln Gewebeproben. Die einzelnen Garne zerkleinerte er in 0,4 Millimeter lange Faserschnipsel und verteilte sie auf Alu-Probenträger. Mit einem hochauflösenden Rasterelektronenmikroskop betrachtete er die 1000-fach vergrösserten Fasern.
Fasern von Schafwolle und Kaschmir haben eine unterschiedliche Oberflächenstruktur. Keines der Produkte ent-hielt Schafwolle. Alle Proben zeigten die charakteristischen Merkmale von Kaschmir. Phan schloss auch andere Edelwolle wie Kamel- oder Yakhaar aus.