Beim Billettkauf am Automaten haben Bahnreisende für ein und dieselbe Strecke drei, vier Varianten zur Verfügung. Je nach gewählter Zone, Verbund oder Strecke ist auch der Preis unterschiedlich.
Wie undurchsichtig die Tarife sind, zeigt ein Beispiel aus dem Kanton Zürich: Ein Billett von Uhwiesen nach Feuerthalen kann man beim Tarifverbund Ostwind oder beim ZVV kaufen. Im ersten Fall bezahlen Reisende Fr. 4.80, beim ZVV Fr. 4.40. Mit Halbtax ist es umgekehrt, das ZVV-Ticket ist teurer.
Ein zweites Beispiel: Anfang Juni hat der Tarifverbund Nordwestschweiz zwischen der Stadt Basel und dem Flughafen die Zone 14 geschaffen, obwohl es dort gar keine Haltestelle gibt (siehe Bild im PDF). Einziger Zweck: Die Fahrt verteuern. So kostet ein normales Einfach-Billett neu Fr. 6.10 statt 4.70. Aufschlag: 30 Prozent.
Wer nur von Bahnhof zu Bahnhof fährt, zahlt zu viel
Hauptgrund für das Tarifchaos sind die 18 Tarifverbünde der Schweiz. Sie waren einst gedacht für die grossen Städte wie Zürich oder Bern samt Vororten. Jetzt breiten sie sich in alle Richtungen aus und überlappen sich. Der Tarifverbund Ostwind zum Beispiel reicht von Schaffhausen über das liechtensteinische Vaduz bis in den Kanton Glarus.
Das Wachstum der Verbünde führt dazu, dass immer mehr Bahnstrecken vollständig in Tarifverbundgebieten liegen. Für Passagiere hat das zwei Nachteile: Die Billette sind teuer. Denn sie gelten für alle Verkehrsmittel in den jeweiligen Zonen – Bahn, Bus, Schiff, Seilbahnen. Doch die meisten Leute wollen nur von Bahnhof zu Bahnhof fahren. Zudem gibt es keine Sparbillette.
Dem Preisüberwacher Stefan Meierhans sind die undurchsichtigen Tarife seit Jahren ein Dorn im Auge. Ihm sind aber die Hände gebunden. Er könnte nur bei missbräuchlichen Preisen aktiv werden. Relativ wenig Einfluss hat auch der Bund als Aufsichtsbehörde. Auch darf er laut Bundesgericht nur bei wiederholtem Gesetzesverstoss oder einem offensichtlichen Missbrauch einschreiten.
Gerechter wäre eine Berechnung nach Streckenkilometern
Eine einfache, faire Lösung wäre laut Meierhans, die Zonen aufzuheben und nur mit Streckenkilometern zu rechnen. «Man zahlt, was man fährt.» Alle Kunden bezahlen für die Fahrt von A nach B immer denselben Preis. Ob jemand eine Verbundgrenze passiert, spielt keine Rolle. Ebenso wenig gibt es Gewinner oder Verlierer – abhängig davon, ob man am Anfang oder am Ende einer Zone zusteigt. Das war im öffentlichen Verkehr immer selbstverständlich – bis die regionalen Tarifverbünde entstanden.
In der Westschweiz wird dieses System im Dezember im Grossraum Genf wieder eingeführt. Der neue «Léman Express» wird in Betrieb genommen. Er bindet die französische Grenzregion besser an die Genferseeregion an. Dafür musste das französische Tarifsystem mit dem Genfer und dem Waadtländer Verbund unter einen Hut gebracht werden. Die einzige Lösung: Strecken- statt Zonentarife. Genau so, wie es Meierhans für die ganze Schweiz fordert.
Rückendeckung erhält der Preisüberwacher vom Bundesamt für Verkehr. In einem Schreiben spricht es von «erheblichem Handlungsbedarf». Adressaten sind die Tarifverbünde und CH-Direct, die nationale Tariforganisation des öffentlichen Verkehrs. Das Bundesamt verlangt von ihnen eine kundenfreundliche Preisberechnung. Für Zündstoff sorgt auch eine weitere Forderung: Der Bund will den Grundsatz «Wer zahlt, befiehlt» streichen. Die Folge: Die Kantone, die heute die Verbünde subventionieren, sollen weniger mitreden. Am schmerzlichsten träfe es den Zürcher Verkehrsverbund. Denn der Kanton Zürich entscheidet selbst über die Höhe der Tarife. Verbünde und die nationale Tariforganisation CH-Direct reagierten ablehnend auf das Ansinnen des Bundes. Es widerspreche der kantonalen Finanzautonomie, entgegneten sie dem Bundesamt.
Die für die Kunden nachteilige Preispolitik der Verbünde zeigte sich auch bei der Senkung der Mehrwertsteuer von 8 auf 7,7 Prozent im vergangenen Jahr. Die meisten Verbünde gaben die Senkung nicht an die Kunden weiter – während die Preise für herkömmliche Billette, die nach Streckenkilometern berechnet werden, um 1 Prozent sanken.
Auch in Zukunft dürfte sich die finanzielle Situation der Bahnen verbessern. Der Trassenpreis für die Benutzung der Schienen soll im Regionalverkehr ab 2021 sinken. Preisüberwacher Meierhans schätzt, dass die Unternehmen im Regionalverkehr dadurch jährlich 30 Millionen Franken einsparen. Tiefere Preise im öffentlichen Verkehr wären deshalb möglich. Solange die Verbünde eigenmächtig über die Tarife entscheiden, ist das eher unwahrscheinlich.