Kälbermast: Bauern profitieren auf Kosten des Tierwohls
Weniger Antibiotika und gesündere Kälber sind möglich. Das zeigt eine neue Studie. Doch die Bauern halten an der bestehenden Praxis fest – wegen der Subventionen.
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saldo 17/2021
26.10.2021
Monique Misteli
Bauern geben Mastkälbern zu viele Antibiotika. Grund: Sie lassen die Tiere bereits drei bis vier Wochen nach der Geburt in die Mastbetriebe transportieren. Auf diesem Weg kommen die Kälber mit anderen Tieren in Kontakt und sind vermehrt Bakterien ausgesetzt, die ihr unterentwickeltes Immunsystem nicht abwehren kann. Ohne Antibiotika würden viele Kälber erkranken – meist an Lungenentzündung.
Ein Kalb erhält in seinem 120 Tage kurzen Leben 10 Antibi...
Bauern geben Mastkälbern zu viele Antibiotika. Grund: Sie lassen die Tiere bereits drei bis vier Wochen nach der Geburt in die Mastbetriebe transportieren. Auf diesem Weg kommen die Kälber mit anderen Tieren in Kontakt und sind vermehrt Bakterien ausgesetzt, die ihr unterentwickeltes Immunsystem nicht abwehren kann. Ohne Antibiotika würden viele Kälber erkranken – meist an Lungenentzündung.
Ein Kalb erhält in seinem 120 Tage kurzen Leben 10 Antibiotikadosen à 8 Milliliter. Diese routinemässige Verabreichung ist problematisch. Denn die Bakterien werden resistent gegen die Antibiotika. Zudem landet zu viel antibiotikabelastetes Fleisch auf den Tellern der Konsumenten.
Der Einsatz von Antibiotika liesse sich massiv reduzieren, wenn Kälber nach dem «Freiluftkalb»-Konzept gehalten würden. Forscher der tiermedizinischen Fakultät Vetsuisse in Bern testeten es ein Jahr lang auf 19 Bauernhöfen mit total 1900 Tieren. Das Resultat: Die Freiluftkälber hatten weniger Lungenentzündungen und Verdauungsprobleme. Der Einsatz von Antibiotika reduzierte sich um 80 Prozent.
Tiergerechte Haltung würde Antibiotikaproblem lösen
Bei der Freiluftkalbmethode kaufen die Mäster nur Kälber von Höfen in der Umgebung. Die Tiere haben beim Transport keinen Kontakt zu andern Kälbern. Nach der Ankunft im Mastbetrieb verbringen sie drei Wochen in Einzeliglus im Freien und werden gegen Lungenentzündung geimpft. Die restliche Lebenszeit verbringen die Kälber in Gruppen mit bis zu zehn Tieren – in überdachten Ausläufen mit Einstreu an der frischen Luft.
Trotz des Sparpotenzials bei den Antibiotika halten die meisten Mäster an der heutigen Praxis fest, weil sie ihnen Subventionen sichert. 45 Prozent der jährlich rund 200 000 geschlachteten Kälber werden nach dem subventionierten System gehalten.
Pro Kalb erhält ein Bauer rund 50 Franken. Bedingung: Die Tiere müssen in der Zeit von Mai bis Oktober an 26 Tagen pro Monat und von November bis April während 13 Tagen pro Monat Auslauf auf einer unbedachten befestigten Fläche oder einer Weide haben. Sie sind dabei schutzlos Wind und Wetter ausgesetzt und können leicht erkranken. Den Rest des Jahres leben sie im engen Stall und stecken sich gegenseitig an.
Mireille Meylan, Tierärztin und Leiterin des Projekts «Freiluftkalb», sagt, solange es nur für das konventionelle Haltungssystem Geld gebe, hätten die Bauern «keinen Anreiz, den Auslauf zu überdachen und ihn einzustreuen».