Jeder zweite Autofahrer zahlt für Funkstille in Tunnels
Rund 33 Millionen Franken gaben Bund und Kantone bisher für den DAB+-Empfang in Tunnels aus. Zur Kasse gebeten werden alle Autofahrer – obwohl die Mehrheit Digitalradio nicht empfangen kann.
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saldo 12/2021
22.06.2021
Jimmy Sauter
Radioempfang via UKW soll laut den Plänen des Bundes spätestens Ende 2024 nicht mehr möglich sein. Der Widerstand gegen die Abschaltung wächst. Ende April lancierte Radiopionier Roger Schawinski die Petition «Rettet UKW». Bis heute unterschrieben mehr als 50 000 Personen. Sogar die frühere Bundesrätin Doris Leuthard änderte ihre Meinung. Sie erachtet es nicht mehr als sinnvoll, mit der UKW-Abschaltung unzählige funktionierende Ra...
Radioempfang via UKW soll laut den Plänen des Bundes spätestens Ende 2024 nicht mehr möglich sein. Der Widerstand gegen die Abschaltung wächst. Ende April lancierte Radiopionier Roger Schawinski die Petition «Rettet UKW». Bis heute unterschrieben mehr als 50 000 Personen. Sogar die frühere Bundesrätin Doris Leuthard änderte ihre Meinung. Sie erachtet es nicht mehr als sinnvoll, mit der UKW-Abschaltung unzählige funktionierende Radiogeräte unbrauchbar zu machen. Dabei war es Leuthard, die sich 2016 mit den Radiosendern darauf einigte, UKW abzuschalten. Stattdessen sollen die Hörer auf das Digitalradio DAB+ (Digital Audio Broadcasting) umstellen, für das man andere Empfangsgeräte braucht.
Bisher bekannt ist: Um DAB+ zum Durchbruch zu verhelfen, gibt das Bundesamt für Kommunikation insgesamt 85 Millionen Franken aus, darunter Serafe-Gebühren («K-Tipp» 10/2021). Doch der geplante Umstieg auf DAB+ verursacht noch weitere Kosten, wie saldo-Recherchen zeigen: Das Bundesamt für Strassen rüstete in den vergangenen Jahren alle rund 200 Tunnels auf den Schweizer Nationalstrassen mit DAB+-Empfang nach. Das kostete gemäss Angaben des Bundesamts rund 30 Millionen Franken.
Doch auch die Kantone müssen ihre Tunnels modernisieren. saldo fragte bei den 26 Kantonen nach, wie viel Steuergeld sie bisher für die Umstellung auf DAB+ ausgaben. Total fielen bei den 26 Kantonen bisher 3,3 Millionen Franken an Kosten an. Die Kantone gehen aber davon aus, dass noch mindestens eine halbe Million Franken dazukommt. Neuenburg zeigt sich in Sachen Tunnelnachrüstungen vom UKW-Abschalttermin unbeeindruckt: «Wir machen uns keinen Druck, den Termin um jeden Preis einzuhalten.»
Erst 42 Prozent der Fahrzeuge verfügen über DAB+-Geräte
Die Mehrheit der Autofahrer profitiert nicht von der millionenteuren Nachrüstung. Gemäss Bundesamt für Kommunikation empfangen erst 42 Prozent der Fahrzeuge in der Schweiz Radio über DAB+. Bezahlen müssen aber alle Autofahrer: Denn die 30 Millionen für die Nachrüstung der nationalen Tunnels stammen aus dem Nationalstrassenfonds. In diesen Topf fliessen etwa der Erlös aus dem Verkauf von Autobahnvignetten und Steuern auf Benzin und Diesel.
Das Bundesamt für Strassen begründete 2016 die Ausgaben für die Tunnelaufrüstung mit der Sicherheit. Bei einem Notfall kann die Polizei die Radioprogramme für Durchsagen unterbrechen. «Dies ist ein wichtiges Element der Tunnelsicherheit», schrieb das Bundesamt für Strassen damals.
Heute spielt das Sicherheitsargument offenbar keine Rolle mehr. Denn das Bundesamt will UKW auch in den Tunneln abschalten, wenn Bundesrat und Radiostationen am Abschalttermin festhalten – obwohl viele Autofahrer dann keine Sicherheits- und Verkehrsmeldungen der Polizei mehr empfangen würden. Das Bundesamt schreibt saldo: «Die Tunnelsicherheit steht und fällt nicht mit der UKW-Abschaltung.»