Das Internet entwickelt sich immer mehr zum Tummelfeld von Betrügern: Auf Kleinanzeige- und Auktionsplattformen bieten Gauner begehrte Artikel wie Marken-Smartphones zu besonders tiefen Preisen an. Sie besitzen aber die Ware nicht. Vielmehr versuchen sie, Interessierte zu Vorschusszahlungen zu bewegen.
Ebenfalls auf Vorauszahlungen zielen gefälschte Wohnungsinserate ab. Damit nützen Betrüger die Wohnungsknappheit in Städten wie Zürich oder Basel aus und werben mit günstigen, aber nicht existenten Wohnungen. Wenn sich jemand das vermeintliche Schnäppchen mit der Überweisung der Mietkaution sichern will, schnappt die Falle zu. Das Geld sieht er nie wieder.
Schweiz bei Internetkriminellen beliebt
Eine nach wie vor beliebte Masche von Internetkriminellen ist auch das sogenannte Phishing. Dabei versenden die Täter E-Mails mit gefälschtem Absender und verführen die Empfänger dazu, auf einer Website Kreditkartendaten, Kontoinformationen zu Auktions- und Einkaufsplattformen oder Zugangsdaten fürs Internetbanking bekanntzugeben. Mit den gewonnenen Informationen kaufen die Diebe auf Kosten der Opfer ein oder dringen in deren Internetbankkonto ein und räumen es leer.
Die Schweiz ist bei Internetkriminellen besonders beliebt: Die hier lebende Bevölkerung ist teilweise wohlhabend und fast jeder surft im Internet. In der Romandie fällt für Täter aus französischsprachigen Ländern die Sprachbarriere weg. Deshalb sind immer breitere Bevölkerungsschichten von Wirtschaftsdelikten übers Internet betroffen.
Der Jahresbericht der Koordinationsstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität (Kobik) zeigt das Ausmass auf: Von den 10 214 Meldungen aus der Bevölkerung, die im letzten Jahr eingingen, entfielen 6837 oder 67 Prozent auf Vermögensdelikte. Vier Jahre früher betrafen erst 11,6 Prozent der Meldungen ein Wirtschaftsdelikt. Meldungen wegen strafbaren Handlungen gegen die sexuelle Integrität im Internet sind dagegen stark rückläufig. Im Jahr 2010 lag ihr Anteil noch bei 33,6 Prozent, 2014 bei 7,4 Prozent.
Pornografie-Ermittlung bindet Ressourcen
Trotzdem konzentriert sich die Kobik auf Sexualdelikte und innerhalb dieses Bereichs auf Pornografie mit Kindern. Tobias Bolliger, stellvertretender Kommissariatsleiter Kobik, räumt ein, dass das Team den grössten Teil seiner personellen Ressourcen darauf verwendet, Verdachtsmeldungen betreffend Sexualdelikte zu überprüfen.
Auch aktive Recherchen betreibt die Kobik fast ausschliesslich, um die Pädokriminalität im Internet zu bekämpfen. So sind aufgrund von Ermittlungen in Chaträumen und in Tauschbörsen für kinderpornografisches Material 396 Anzeigen erstellt und an die zuständige Behörden im In- und Ausland übermittelt worden. Der Fokus auf Pädokriminalität sei historisch bedingt und politisch gewollt, sagt Bolliger.
Laut Bolliger überprüft die Kobik auch jede Verdachtsmeldung zu Wirtschaftskriminalität. Wenn es sich um etwas Neues handle, befasse sich die Analyseabteilung damit. Sei ein Bezug zur Schweiz gegeben, führe die Kobik Ermittlungen durch und stelle ein Dossier zusammen, das sie der zuständigen Kantonspolizei übergebe.
Wie erfolgreich die Arbeit der Kobik ist, kann kaum abgeschätzt werden. Was die kantonalen Polizei- und Justizbehörden mit den zugestellten Dossiers machen, erfährt die Kobik selten. In wenigen Fällen erhält sie eine Rückmeldung aus den Kantonen. Zu Verurteilungen ist es nur bei Tatbeständen der Pornografie und verbotenen Gewaltdarstellungen gekommen. Bei Vermögensdelikten erfuhr die Kobik von keiner Verurteilung.
Ist die Kobik also ohnmächtig gegenüber Wirtschaftskriminellen im Internet? «Ein gewisser Eindruck der Ohnmacht kann entstehen», gibt Tobias Bolliger zu. Es sei schwierig, etwas zu erreichen, vor allem wenn die Täter aus dem Ausland agierten. In Einzelfällen sei die Kobik aber erfolgreich. So habe sie die Betreiber von Immobilienportalen auf gefälschte Wohnungsinserate aufmerksam gemacht. Und sie habe die Portalbetreiber bei der Entwicklung einer technischen Lösung beraten, die falsche Fotos erkennt und sogleich löscht. Die Flut von Mails, die mit Betrugsabsichten versendet werden, werde man aber nie wegbringen, sagt Bolliger. Die Surfer müssten lernen, mit den Gefahren umzugehen.
Ähnlich tönen die Tipps auf der Kobik-Website: Antivirenprogramm installieren, Betriebssystem aktuell halten, keine persönlichen Daten an Personen weitergeben, die man nicht kennt. Gemäss Bolliger werden aber die Internetbetrüger immer raffinierter und gefälschte E-Mails sowie Phishing-Websites sind auch für Profis schwer erkennbar.
Den Vermögensdelikten nachzuspüren ist laut Marc Ruef von der IT-Sicherheitsfirma Scip in Zürich «mit sehr viel personellem, wirtschaftlichem und technischem Aufwand verbunden». Aus moralischer Sicht sei es nachvollziehbar, dass die Kobik Verletzungen der sexuellen Integrität höher gewichte.
Zwei weitere Probleme erschweren aus Ruefs Sicht die Verfolgung der Betrüger: Polizei und Staatsanwaltschaften seien mit der technischen Komplexität der Delikte überfordert. Zudem mache die internationale Ausprägung gut organisierter Straftraten die Ermittlungen kompliziert. «In vielen Fällen stellen die Schweizer Behörden gar nicht erst ein Rechtshilfegesuch, da sie die Erfolgschancen von vornherein als zu gering erachten.»
Kobik: Anlaufstelle für Internetkriminalität
Seit 2003 existiert die Koordinationsstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität (Kobik). Sie ist beim Bundesamt für Polizei in Bern angesiedelt. Die Kobik wurde primär als Reaktion auf die zunehmende illegale Verbreitung von Kinderpornografie im Internet gegründet, ist aber grundsätzlich erste Anlaufstelle für alle strafrechtlich relevanten Inhalte im Internet.
Mit Hilfe des Meldeformulars unter Cybercrime.ch können verdächtige Websites oder E-Mails gemeldet werden. Die Kobik durchsucht das Internet auch aktiv nach illegalen Inhalten und erstellt Analysen über die Internetkriminalität. Die Koordinationsstelle arbeitet dabei eng mit den in- und ausländischen Strafverfolgungsbehörden zusammen. Zurzeit umfasst das Kobik-Team 15 Vollzeitstellen. Die Finanzierung übernehmen zu zwei Dritteln die Kantone und zu einem Drittel der Bund.