Bei der fünfköpfigen Fachjury des «K-Tipp» fiel der Châteauneuf-du-Pape «Château Saint-André» mit Jahrgang 2013 durch: «Unharmonisch, kurze Aromen und zu prägnante Bitternote.» Das Gesamturteil war denn auch «ungenügend» («K-Tipp» 3/2015).
Wer diesen Rotwein im Coop-Internetshop Mondovino bestellen will, liest etwas ganz anderes: Der Wein ist mit vier von fünf Punkten bewertet. 28 Kunden verteilten Punkte, 8 gaben zusätzlich einen Kommentar ab. Eine Heidi verlieh fünf Punkte und schrieb: «Sehr guter Wein, ausgewogen.»
Wer genau hinsieht, bemerkt, dass Heidi den Jahrgang 2012 und nicht den Jahrgang 2013 bewertete. Mondovino verkauft nur noch den Wein von 2013. Die Bewertungen stammen jedoch auch von den Jahrgängen 2011 und 2012. Die Qualität eines Weins ändert jedes Jahr. Ein Wein eines Jahrgangs kann also miserabel und dennoch gut bewertet sein, weil die guten Noten früherer Jahrgänge den Durchschnitt der Gesamtnote erhöhen.
Auffällig zudem: Bei Mondovino erhielten 79 Prozent aller bewerteten Weine mindestens vier von fünf Punkten. Bei Denner sind 76 Prozent aller Rotweine und 83 Prozent aller Weissweine mindestens mit einer Vier bewertet. Das bedeutet laut Denner-Skala: «Sehr guter Wein. Werde ich wieder kaufen und weiterempfehlen.»
Alle Bewertungen «in bester Absicht»
Die durchwegs gute Benotung der Weine auf den Internetplattformen machte saldo argwöhnisch. Werden negative Bewertungen gar nicht aufgeschaltet? Diesen Vorwurf kann man den Weinhändlern nicht machen. saldo hat auf den Weinportalen von Mondovino, Denner und Mövenpick je drei Weine mit nur einem von fünf Punkten bewertet und kritisch kommentiert. Alle Weinbewertungen wurden publiziert.
Alle drei Internetweinhändler bestätigen, dass sie alle Kommentare freischalten, sie jedoch zuvor lesen und auf Plausibilität oder Beleidigungen prüfen würden. Coop sagt zudem, die subjektiven Bewertungen seien für die Kunden nicht die einzigen Qualitätshinweise. Denner erklärt, man könne mangels Personal nicht alle Namen, Anschriften und E-Mail-Adressen überprüfen. «Wir gehen davon aus, dass Personen, die unsere Weine bewerten, dies in bester Absicht machen.»
Bewertung auch mit fiktiver Adresse möglich
Jeder Weinhändler kann jedoch seine Weine problemlos selber bewerten, wenn er will: Bei Denner reicht bereits ein frei erfundener Name mit einer fiktiven Anschrift und E-Mail-Adresse, um eine Note abzugeben. Bei Mövenpick braucht es immerhin ein Kunden-Login, um Weine zu bewerten. Bei Coop ist eine Supercard Voraussetzung.
Mövenpick setzt auch auf andere Ratings als Kundenbewertungen. Der Weinshop publiziert für viele Weine einen sogenannten Score mit einem Maximum von 20 Punkten. Auf der Homepage wird aber nirgendwo erklärt, wer diesen Score nach welchen Kriterien erstellt hat. Mövenpick sagt dazu, die Einkäufer würden diese Punkte «als Richtwerte für die Kunden» vergeben. Mövenpick verspricht, dass man dies künftig deklarieren werde.