Die SBB behaupten auf ihrer Website, der Internetempfang über Mobilfunk entlang der Bahnlinien sei gut. Doch das trifft nur teilweise zu: Auf vielen Ver- bindungen im Fern- und Regionalverkehr ist der Empfang ungenügend. Das zeigen Messungen, die saldo im vergangenen Juni und Juli machte. Der schlechte Empfang führt etwa dazu, dass sich Internetseiten nicht oder nur langsam aufrufen lassen oder Videotelefonate nicht möglich sind.
Die saldo-Tester fuhren mit der Bahn 4000 Kilometer kreuz und quer durch die Schweiz. Im Minutentakt massen sie mit der Rapperswiler IT-Firma Cnlab, wie gut der Internetempfang auf 5G-fähigen Handys in den Netzen von Salt, Sunrise und Swisscom ist.
Auf 70 Zugfahrten wurden über 7000 Messungen gemacht (siehe Tabelle im PDF). Resultat: Im Fernverkehr war der Empfang bei jeder neunten Messung schlecht. Die Datenrate beim Download lag unter 1 Megabit pro Sekunde (Mbit/s). Das kommt einem Verbindungsabbruch gleich: Wer sich störungsfrei Live-TV-Sendungen anschauen oder Videotelefonie nutzen will, benötigt Download-Datenraten von mindestens 5 Mbit/s.
Schlecht war der Empfang etwa auf der Paradestrecke von Zürich nach Bern. Bei der Swisscom war die Internetqualität an 16 Prozent der Messstellen ungenügend, bei Salt und Sunrise war der Empfang sogar auf einem Drittel der Strecke schlecht.
Auf der Strecke Zürich – Schaffhausen zeigte jede vierte Messung ein Funkloch an – auch weil Streckenteile über deutsches Gebiet führen.
Ebenfalls ungenügend war die Internetqualität bei allen Anbietern auf der Strecke Zürich – Winterthur: An rund 28 Prozent aller Messpunkte war der Empfang schlecht.
Auf der Strecke von Bern nach Brig war die Internetverbindung bei gut 30 Prozent der Messungen instabil – auch wegen des Lötschbergtunnels. Die Tunnelfunkanlage ist 15 Jahre alt.
Keine Probleme mit dem Internetzugang gab es auf der Strecke von Biel nach Basel.
Noch mehr Lücken als im Fernverkehr zeigten sich im Regionalverkehr. Gut 15 Prozent der Messungen blie-ben unter der Limite von 1 Mbit/s. Besonders unbefriedigend war die Situation auf den Strecken von Winterthur nach Bülach und von Winterthur nach Dinhard im Zürcher S-Bahn-Netz: Hier war der Empfang auf jeweils einem Drittel der Strecke schlecht.
Je nach Mobilfunknetz grosse Qualitätsunterschiede
Der Test zeigt auch Unterschiede zwischen den drei Mobilfunkfirmen auf: Die Swisscom bot sowohl im Regional- als auch im Fernverkehr eine bessere Internetqualität als die Konkurrenten. Unter dem Strich war die Netzqualität bei Sunrise am schlechtesten. Allerdings erzielte Sunrise auf einzelnen Strecken auch die besten Werte – etwa zwischen Olten und Zofingen.
Auf die Messresultate angesprochen, bestätigt nur die Swisscom Probleme auf einzelnen Abschnitten – etwa zwischen Zürich und Schaffhausen. Sunrise und Salt schreiben, man gehe davon aus, dass die Bahnwagen, in denen saldo gemessen habe, voll gewesen oder noch nicht für «guten Mobilfunkempfang optimiert» worden seien.
Tipp: Wer prüfen möchte, wie gut der Empfang auf seiner Pendlerstrecke ist, kann im App-Store die App «Cnlab UX Test» herunterladen und Messungen durchführen. Das empfiehlt sich aber für nur Handybesitzer mit einer Flatrate, weil der Datenverbrauch dafür hoch ist.
Besserer Empfang dank neuen Zugfenstern
Die saldo-Messungen auf der Strecke Bellinzona – Locarno belegen, dass spezielle mobilfunkdurchlässige Fenster den Empfang verbessern. In den Wagen der Tessiner S-Bahn (SBB) mit normalen Fenstern war die Internetqualität bei jeder dritten Messung mangelhaft. Im Treno Gottardo der Südostbahn mit Spezialscheiben dagegen gab es deutlich weniger Unterbrüche: Nur jede zehnte Messung lieferte tiefe Werte. Bei der Südostbahn verfügen über 90 Prozent der Züge über durchlässige Fenster, bei der BLS alle Züge mit Ausnahme der Mutzflotte. Die SBB machen dazu keine Angaben. Funkdurchlässige Fenster kann man am feinen Gitternetz im Glas erkennen.