Die bisherigen Presseauftritte von Martin Ackermann, dem Präsidenten der wissenschaftlichen Corona-Taskforce des Bundes, hatten eine dramatische Note. Und einige Medien veröffentlichten seine Prognosen zur Überlastung der Intensivstationen, ohne diese kritisch zu hinterfragen.
23. Oktober: «Wir müssen die Epidemie stoppen. Wenn uns das nicht gelingt, erwarten wir, dass die Intensivbetten zwischen Ende Oktober und dem 9. November voll sein werden.»
30. Oktober: «Leider müssen wir damit rechnen, dass die Kapazitäten in den Spitälern überschritten werden.»
6. November: «Wir schätzen, dass wir etwa am 10. November die Kapazitätsgrenze der Intensivbetten erreichen.»
12. November: «Die Spitäler müssen aus der Risikozone kommen. Ansonsten sind die Spitalbetten für Erwachsene in der Schweiz Mitte November besetzt.»
Aufgrund dieser Warnungen haben diverse Kantone ihre Anti-Corona-Massnahmen zum Teil markant verschärft. Fakt ist: Bis Mitte November gerieten einzelne Spitäler an die Kapazitätsgrenzen, andere hatten mehr Spielraum. Das Universitätsspital Zürich (USZ) etwa führte bis Anfang November weiterhin nicht dringliche Operationen durch. Sowohl auf der Intensivstation als auch auf der normalen Bettenstation habe man noch genügend Kapazitäten, sagte USZ-Chef Gregor Zünd am 10. November an einer Pressekonferenz.
Die gesamtschweizerische Situation war Mitte November weniger dramatisch als prognostiziert. Das zeigen Zahlen des Koordinierten Sanitätsdiensts der Armee. Er erfasst alle Intensivpflegebetten sowie deren Belegung. Bei Redaktionsschluss (12. 11.) waren 873 der knapp 1150 Intensivbetten belegt. Davon waren 506 Corona-Patienten. Dies entspricht einer Auslastung der Intensivstationen von 76 Prozent. Total könnten in der Schweiz rund 1400 Intensivbetten in Betrieb genommen werden.
Weitere gut 3200 Patienten waren wegen Corona in anderen Betten hospitalisiert. Die Auslastung aller 24 500 Spitalbetten betrug 77,5 Prozent. Das heisst: Knapp ein Viertel aller Spitalbetten war noch frei.
Die Daten der ETH-Plattform Icu-Monitoring, die alle Intensivpflegebetten nach Kantonen erfasst, zeigen: In kleineren Kantonen mit wenigen Intensivbetten wie Appenzell Ausserrhoden (6 Betten) oder Jura (8) waren die Intensivstationen zu 100 Prozent ausgelastet. In zehn Kantonen lag die Auslastung bei 75 Prozent oder tiefer – in Luzern bei 60 und in Zürich bei 69 Prozent.