Die neuste Röntgenmethode, die Mediziner anwenden, heisst Spect-CT. Sie vereint zwei bisherige Methoden: Mit der Computertomografie (CT) kann der Arzt Knochen und anderes Gewebe darstellen. Zusätzlich spritzt das Personal dem Patienten eine radioaktive Flüssigkeit, ähnlich wie bei einer Szintigrafie. So lassen sich nicht nur Knochen und Gewebe, sondern auch Abläufe im Inneren des Körpers darstellen.
Ärzte setzen diese Methode ein, um Probleme an Herz, Lunge oder Niere genauer bestimmen zu können. Auch bei Krebspatienten kommt die Spect-Computertomografie zum Einsatz. Sie hat einen raschen Siegeszug hinter sich: Im Jahr 2003 ging in der Schweiz das erste Gerät in Betrieb. Zehn Jahre später standen in Schweizer Spitälern bereits 41 solche Maschinen.
Doch jetzt warnen Experten des Bundesamts für Gesundheit: In vielen Spitälern setzen die Ärzte die neuen Geräte nicht optimal ein. Die Folge: Die Patienten bekommen deutlich zu viel Strahlung ab.
Das ist brisant. Denn die neue Methode bringt ohnehin eine erhöhte Strahlendosis mit sich. Zur Belastung mit dem gespritzten radioaktiven Stoff kommen die schädlichen Röntgenstrahlen durch die Computertomografie hinzu.
In vielen Spitälern ist die Strahlenbelastung unnötig hoch
Die Fachleute des Bundes haben bei allen Spect-CT-Geräten kontrolliert, wie die Ärzte sie einsetzen. Vielen Spitälern stellen die Experten kein gutes Zeugnis aus:
- 2 von 5 müssen die Belastung der Patienten durch den radioaktiven Stoff senken.
- Gar 3 von 5 müssen die Strahlenbelastung durch das CT senken.
- Jedes dritte Spital untersucht zu grosse Partien des Körpers, so dass die Strahlendosis unnötig hoch ist.
Das Bundesamt für Gesundheit gibt nicht bekannt, welche Spitäler gut oder schlecht abschnitten. Die Ergebnisse kommentiert Reto Linder, Strahlenschutzexperte bei der Behörde und Autor des Berichts, folgendermassen: «Wenn man ein perfektes, gestochen scharfes Bild will, hat das eine hohe Strahlendosis zur Folge.» Oft reiche für eine Diagnose aber eine tiefere Bildqualität, die weniger Strahlung verursache.
Kommt dazu: Einige Spitäler haben nicht mehr die neusten Geräte. Und ältere Maschinen verwenden laut dem Bundesamt oft höhere Strahlendosen.
Strahlendosis: Spitäler halten Vorschrift nicht ein
Der Bericht hat aber noch weitere Mängel festgestellt. Zwei Beispiele:
- Oft fehlt ein separater Warteraum für Patienten, denen man die radioaktive Substanz gespritzt hat. Die Folge: Eine unnötige Strahlenbelastung für alle, die in der Nähe sind.
- Jedes Spital müsste sich von einem Fachmann für Medizinphysik beraten lassen, um die Strahlendosen für Personal und Patienten zu senken. Doch nicht alle Spitäler halten diese Vorschrift ein.
Thomas Krause, Präsident der Schweizerischen Gesellschaft für Nuklearmedizin, verteidigt seine Zunft: «Wir wählen die tiefstmögliche Bildqualität.» Was separate Warteräume für Patienten angehe, gebe es keine Richtlinien, die dies vorschrieben. Der Bericht des Bundesamts für Gesundheit sei aber eine Motivation, alles zu versuchen, um die Strahlendosis weiter zu senken.
Tatsache ist jedoch: In der Schweiz steigt die Strahlenbelastung durch Röntgen und verwandte Untersuche. Vor drei Jahren zeigte eine Studie: Ärzte machen immer mehr davon. Ausgerechnet Computertomografien, die den Körper mit besonders viel Röntgenstrahlen belasten, nehmen stark zu und haben sich laut dem «Gesundheitstipp» innerhalb von zehn Jahren mehr als verdoppelt (Ausgabe 7/12).
Damit steigt auch das Krebsrisiko. US-amerikanische Fachleute haben errechnet, dass jeder fünfzigste Krebsfall durch die Strahlen von Computertomografien verschuldet ist. Umgerechnet auf die Schweiz entspricht dies rund 700 Menschen pro Jahr, die Krebs bekommen.
Zu viele, findet der Basler Krebsarzt Claudio Knüsli vom Verein «Ärzte und für soziale Verantwortung». Bei Kollegen stellt Knüsli grosse Bildungslücken fest: «Manche Ärzte wissen nicht genau, welche Untersuchung wie viel Strahlung bedeutet.» Knüsli empfiehlt wenn immer möglich einen Untersuch, der ohne Strahlung auskommt. Und die gibt es: Ultraschall und Magnetresonanz beruhen nicht auf Röntgenstrahlen und sind ungefährlich. Magnetresonanz sei oft auch bei schweren Krankheiten geeignet, so Knüsli, und liefere sehr gute Bilder.
Margrit Kessler von SPO Patientenschutz kritisiert: «Die Ärzte sind sich zu wenig bewusst, dass ein Patient Krebs bekommen kann, wenn sie mehrere CTs und noch andere Aufnahmen anordnen.» Sie fordert für Patienten einen Röntgenpass, auf dem jede Untersuchung verzeichnet wird. «Nur so kann ein Patient kontrollieren, welche Dosis er erhält.»
Strahlenbelastung: Der Arzt muss Auskunft geben
- Lassen Sie sich vom Arzt genau erklären, warum er röntgen will.
- Fragen Sie den Arzt, ob es eine strahlungsfreie Alternative wie Ultraschall oder MRI gibt.
- Fragen Sie, ob das Röntgenbild einen Einfluss auf die Therapie hat. Wenn nicht, kann man darauf verzichten.
- Nehmen Sie vorhandene Röntgenbilder mit, wenn Sie zu einem neuen Arzt gehen.
- Führen Sie einen Röntgenpass, in dem alle Aufnahmen verzeichnet sind. Ein solcher Pass ist für 8 Franken erhältlich bei SPO Patientenschutz, www.spo.ch, Tel. 044 252 54 22.