Sandra Kropf (30) aus Moosseedorf BE wollte vor zwei Jahren von Zürich nach Wien fliegen. Sie leidet an einer seltenen Muskelkrankheit, deshalb kann sie nur kurze Strecken zu Fuss gehen. Das teilte sie der Swiss mit und ergänzte, sie habe einen Elektrorollstuhl.
Einen Monat vor der geplanten Reise bestätigte die Swiss, sie könne den Rollstuhl mitnehmen. Doch kurz vor dem Abflug teilte ihr ein Mitarbeiter des Zürcher Flughafens mit, sie dürfe nicht mit ihrem Elektrorollstuhl fliegen. Die Batterie habe zu viel Watt. Er erklärte nicht, weshalb das ein Problem sein soll. «Das fand ich seltsam», sagt Sandra Kropf. «Auf dem Formular musste ich die Wattzahl nicht angeben.»
Am Flughafen vier Stunden lang gewartet
Der Flieger nach Wien hob ohne sie ab. Sandra Kropf musste in einer Lounge des Flughafens vier Stunden warten. «Ich war wütend und frustriert», sagt sie. Erst am späten Abend konnte sie mit Helvetic nach Wien reisen. Den Elektrorollstuhl transportierte die Airline erst am nächsten Morgen – angeblich, weil der Gepäckraum des Abendflugs zu klein war.
Wie oft Airlines Passagieren wegen gesundheitlicher Beschwerden den Flug verweigern, ist unbekannt. Die Swiss und der Flughafen Zürich sagen, sie hätten keine Statistik dazu. Auch der Inkassodienst Airhelp kennt keine Zahlen.
Die Reisemedizinerin Danielle Gyurech von der Zürcher Travel Clinic vermutet aufgrund von Rückmeldungen ihrer Patienten, die Airlines würden immer mehr Passagiere aus gesundheitlichen Gründen abweisen. Denn viele Flüge seien überbucht: «Deshalb ist einzelnen Fluggesellschaften jeder Grund recht, um unbequeme Passagiere loszuwerden.»
Airlines entscheiden selber, wen sie mitnehmen – und wen nicht
Fixe Kriterien, wann man bei Krankheit oder Behinderung fliegen darf, gibt es nicht. Der Verband der Fluggesellschaften Iata hat zwar Empfehlungen dazu veröffentlicht. Doch jede Airline hat ihre eigenen Regeln. Die Fluggesellschaften entscheiden selbst, ob und unter welchen Umständen sie jemanden mitnehmen.
Die Iata rät zum Beispiel, dass Passagiere mit einer akuten Mittelohrentzündung, mit Herzrhythmusstörungen oder Beinvenenthrombosen sowie Frauen ab der 36. Schwangerschaftswoche nicht fliegen sollten. Reisemedizinerin Danielle Gyurech sagt: «Ohrenschmerzen sind kein zwingender Grund, um auf eine Flugreise zu verzichten.» Wenn die Ohren wegen einer Erkältung den zunehmenden Luftdruck bei der Landung nicht ausgleichen können, schmerze das aber stark. Deshalb rät Gyurech, einen Nasenspray einzusetzen, der die Schleimhäute abschwellt.
Tipp: Wer an einer schweren oder chronischen Krankheit leidet, sollte eine Reise frühzeitig mit seinem Arzt oder einem Reisemediziner besprechen und die Flugtauglichkeit schriftlich bestätigen lassen. Wer sich gesund genug fühlt, soll den Flug ruhig antreten. Hat jemand vor einem Flug leichte Beschwerden, etwa aufgrund einer Erkältung oder einer Magenverstimmung, rät Gyurech, die Beschwerden mit Medikamenten zu behandeln, damit man für den Flug genügend fit ist.
Zu Unrecht abgewiesen: So kann man sich wehren
Wer sich von einer Fluggesellschaft ungerecht behandelt fühlt, kann sich wehren. Zu Unrecht abgewiesene Passagiere haben Anrecht auf die Rückerstattung der Ticketkosten und eine Entschädigung von 300 bis 700 Franken, je nach Distanz des Flugs. Falls sich die Airline weigert, helfen Inkassodienste wie Flightright oder Airhelp.
Auch Sandra Kropf erhielt von der Swiss eine Entschädigung von 300 Franken. Nachdem sie sich beim Kundendienst beschwert hatte, entschuldigte sich die Airline und gab zu, dass die Wattzahl der Batterie ihres Rollstuhls «irrelevant» sei. Eine Pressesprecherin der Swiss sagt, man weise keine unbequemen Passagiere wegen Überbuchung ab. Im Zweifelsfall treffe das Personal vor Ort einen Entscheid «zum Wohl der betroffenen Passagiere und der anderen Fluggäste».