Jahr für Jahr gibt die Schweiz gemäss Bundesamt für Statistik rund 83 Milliarden Franken für ihr Gesundheitswesen aus. Die Versicherten finanzieren es mit hohen Krankenkassenprämien. Und jetzt das: «Nach zwei Wochen geht das medizinische Material aus», regt sich ein Arzt in einem Zürcher Spital auf.
Warum dieser Engpass an grundlegenden Hygieneartikeln in den Spitälern, Arztpraxen und Apotheken nach so kurzer Zeit? Und dies, obwohl die Bundeskasse für Pflichtlager von lebenswichtigen Artikeln jedes Jahr 105 Millionen Franken an Unternehmen zahlt?
Lagerbestände wurden aus Kostengründen reduziert
Das Problem liegt bei der Zusammensetzung der Notfallreserven. Gemäss dem «Bericht zur Vorratshaltung 2019» des Bundes hält die Schweiz unter anderem Autobenzin für 4,5 Monate auf Lager, 63 000 Tonnen Zucker, 14 900 Tonnen Reis oder 15 000 Tonnen Rohkaffee. Aber zum Beispiel nur 168 000 Atemschutzmasken.
Dass dies zu einem Engpass führt, sah man beim Bund voraus: «Im Fall einer Pandemie müsste damit gerechnet werden, dass die Nachfrage nach spezifischen Produkten wie Schutzmasken, Desinfektionsmittel, Untersuchungshandschuhen und Antibiotika zunimmt. Diese könnte nicht über die verfügbaren freien Lager abgegolten werden», warnt der Bericht. Für die Dauer einer Pandemiewelle von zwölf Wochen würden Spitäler und Heime «schätzungsweise 745 000 Stück Atemschutzmasken» benötigen.
Der Bund hat das Pflichtlager vor kurzem aufgelöst. Das heisst: Das vorhandene Material wird nun «zentral an die Kantone abgegeben».
Laut dem Bund reduzierten die Spitäler ihre Lagerbestände aus Kostengründen. saldo fragte deshalb bei 20 Spitälern direkt nach, wie es um ihre Vorräte steht. Die Antworten sind wenig aussagekräftig. Konkrete Zahlen nennt kein Spital. Das Luzerner Kantonsspital schreibt, der Lagerbestand sei «mittelfristig ausreichend», doch die Lage sei «angespannt». Der Verbrauch werde reduziert, indem die gleichen Masken «bis zu acht Stunden» getragen würden.
Gemäss «Luzerner Zeitung» müssen nach Diebstählen Securitas-Wachleute den Schutzmaskenvorrat bewachen. Und im «Bund» bestätigt der Sprecher des Unispitals Basel einen «unerklärlich hohen Verbrauch» von Schutzmasken.
Das Kantonsspital St. Gallen spricht von «grossen Herausforderungen für den Einkauf». Man könne aber «zum aktuellen Zeitpunkt den täglichen Bedarf gut abdecken». Die Spitäler Frutigen Meiringen Interlaken teilen mit, sie kämpften mit Lieferengpässen, doch «für die nächsten Wochen» sei die Versorgung sichergestellt.
Engpässe auch bei Desinfektionsmitteln
Im Gegensatz zu Atemschutzmasken gibt es für Desinfektionsmittel kein Pflichtlager. Gemäss Influenza-Pandemieplan 2019 sei «die Produktionskapazität in der Schweiz hinreichend». Zumindest auf dem Papier: Auch hier machen sich im Spitalalltag Mängel bemerkbar.
Das Kantonsspital Luzern liefert Händedesinfektionsmittel «nur noch an Abteilungen mit direktem Patientenkontakt». Aus den Operationssälen sind laut Medienberichten Desinfektionsmittel für die Hände verschwunden. Und das Kantonsspital Aarau gibt sie nur noch «kontingentiert und gezielt» ab.