Bauschutt, Abfallberge, Kakerlaken – so sah es letztes Jahr bei einem Zürcher Pizzalieferdienst aus. Die Folge: Behördliche Inspekteure machten den Betrieb erst einmal dicht. Aber bald schon durften wieder Pizzas ausgeliefert werden, und nach wenigen Monaten türmten sich erneut die Müllberge.
Das ist bei weitem kein Einzelfall: St. Galler Inspekteure trafen in einer Metzgerei mehrmals auf verdreckte Schlachträume und unhygienisch gelagertes Fleisch. Es brauchte zehn Kontrollen und eine Strafanzeige, bis der Betreiber Ordnung schaffte. Das alles kann man in Jahresberichten der Kantonschemiker nachlesen. Nur: Die Namen der Betriebe dürfen die Inspekteure nicht öffentlich machen. Kunden erfahren nichts von den Zuständen in ihrer Metzgerei oder Lieblingsbeiz.
2021 fielen 29 000 Betriebe bei Hygienekontrollen durch
Eine saldo-Auswertung von Daten des Bundesamts für Lebensmittelsicherheit zeigt: Die kantonalen Kontrolleure treten seit Jahren auf der Stelle. Bei 69 Prozent aller besuchten Betriebe fanden sie im vergangenen Jahr Mängel, fünf Jahre zuvor waren es mit 61 Prozent fast gleich viel.
Insgesamt griffen die Inspekteure letztes Jahr schweizweit in 29 000 Betrieben ein. Das hiess in gravierenden Fällen beispielsweise: Betriebe wie den Zürcher Pizzalieferanten dichtmachen, Käse wegen krankmachender E-Coli-Bakterien entsorgen lassen oder die Nutzung von bestimmten Räumen wegen Listerienproblemen verbieten. E-Coli-Bakterien können im schlimmsten Fall zu Nierenversagen führen. Und auch Listerien sind potenziell lebensbedrohlich, besonders für Kinder, Menschen mit geschwächtem Immunsystem und Ungeborene.
Die besonders schwerwiegenden Fälle wie jener der St. Galler Metzgerei sind nicht seltener geworden: Die Lebensmittelkontrolleure reichten im vergangenen Jahr gegen 972 Betriebe (2 Prozent) Strafanzeigen ein – das sind etwa so viele wie fünf Jahre zuvor. Beispielsweise importierte ein Solothurner Betrieb mehrfach Gemüse, das verbotene Pestizide enthielt – etwa Koriander mit Chlorpyrifos. Sind Kinder im Mutterleib auch nur geringen Dosen dieses Pestizids ausgesetzt, kann das bereits ihr Hirn schädigen.
In Dänemark müssen Betriebe Kontrollresultate aufhängen
Das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit zieht das Fazit: «Die Daten geben insgesamt keinen klaren Hinweis auf eine mögliche Verbesserung.» Andere Länder hingegen zeigen, wie man die Hygiene effizient verbessern könnte: In Dänemark etwa erhalten alle Lebensmittelbetriebe seit 20 Jahren nach jeder Kontrolle eine Bewertung in Form eines Smileys, die sie gut sichtbar aufhängen müssen.
Laut Angaben der zuständigen Behörde verbesserten sich dank den Smileys die Zustände in den Betrieben spürbar. Eine Auswertung für den Zeitraum 2003 bis 2015 zeigt: Der Anteil der Betriebe, die beanstandet wurden, halbierte sich fast.
Wales übernahm 2013 das Erfolgsmodell aus Dänemark. Und siehe da: Der Anteil von Betrieben mit Verbesserungsbedarf sank dort laut Daten der zuständigen Behörde von 63 auf heute 29 Prozent.
Wissenschaftliche Studien in anderen Ländern wie Norwegen und den USA kommen zum Schluss: Wenn Betriebe die Resultate der Kontrollen veröffentlichen müssen, setzen sie Vorgaben besser um und korrigieren Mängel schneller.
Eine freiwillige Publikation ist deutlich weniger wirksam. Das zeigen die Erfahrungen im Kanton Zug. Dort dürfen Betriebe seit 2009 freiwillig ein Zertifikat aufhängen. Dieses enthält das Ergebnis der letzten Kontrolle. Der Anteil der Betriebe mit der Note «sehr gut» stieg von 43 Prozent im Jahr 2009 auf 59 Prozent im Jahr 2021. Kantonschemiker Mattias Fricker sagt: «Mit der neuen Regelung hat sich die Situation insgesamt verbessert.»
Nur: Die Hygiene in schlecht bewerteten Restaurants ist nicht entscheidend besser geworden: Der Anteil mit nur «genügender» oder «ungenügender» Hygiene lag 2009 bei 17 Prozent, 2021 waren es immer noch 14 Prozent. Insgesamt erhielten von 675 Betrieben letztes Jahr 93 Betriebe genügende und 2 ungenügende Noten.
Ursprünglich wollte der Bundesrat, dass die Kantone die Ergebnisse der Kontrollen veröffentlichen müssen. Doch eine Mehrheit des Parlaments lehnte die Änderung 2013 ab.
Deutschland legt Bewertungen offen
In Deutschland müssen die Behörden auf Anfrage die Resultate von Lebensmittelkontrollen offenlegen – das bestätigt ein Entscheid des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichtes von vergangenem Juli. Die Gerichte in den übrigen Bundesländern entschieden bereits zuvor im Sinne der Transparenz. Auf der Internetplattform «Topf Secret» (Saldo.ch/topfsecret) kann man mit einigen wenigen Klicks Berichte zu einzelnen Restaurants, Supermärkten und anderen Lebensmittelbetrieben einsehen oder beantragen. Laut der Organisation Foodwatch, welche die Plattform ins Leben gerufen hat, gab es bisher schon rund 59 000 Anfragen.