Mit dem Alter schwinden bei Männern die Hormone. Gemäss der Basler Urologie-Praxis Alta Uro ist das nicht umstritten. Sie vergleicht dies mit den Wechseljahren der Frau: Beim Mann verlaufe «dieser Prozess der Andropause langsamer – quasi schleichend» und werde daher häufig nicht erkannt. Das fehlende Testosteron führe zu Müdigkeit, depressiven Verstimmungen, Schlafstörungen, Potenzproblemen und weniger Lust auf Sex. Die empfohlene Therapie: Testosteron-Gel. Es gebe keine Nebenwirkungen, wenn man die Menge exakt einstelle, heisst es auf der Website.
Auch die Urologie-Praxis Wipkingen in Zürich schreibt im Internet, dass nicht nur bei Frauen, sondern auch Männern ab 40 die Hormone nachlassen. Die Folgen: «Testosteronmangel» und «Verlust der Männlichkeit». Dann könne eine Hormonersatztherapie sinnvoll sein, etwa mit Testosteron-Gel oder -Spritzen. Die Mittel heissen Testogel, Nebido oder Tostran.
Pharmafirmen machen mit solchen Präparaten rund 7 Millionen Franken Umsatz pro Jahr – Tendenz steigend. Das zeigen Zahlen von Interpharma, dem Verband der forschenden Pharmafirmen der Schweiz.
Fachleute kritisieren die Abgabe von Testosteron. Michael Zitzmann, Oberarzt am Zentrum für Reproduktionsmedizin und Andrologie der Universitätsklinik Münster (D), findet in einem Fachartikel klare Worte: «Es gibt keine Wechseljahre des Mannes.» Das Altern sei keine Ursache für das Sinken des Testosteronspiegels. Männer, die bis ins hohe Alter nicht an Übergewicht oder chronischen Krankheiten leiden, würden die Testosteronwerte ihrer Jugend behalten. Der Artikel erschien 2023 im «Journal für Gynäkologische Endokrinologie».
Eine Studie von 2022 bestätigt das: Gesunde Männer in der zweiten Lebenshälfte hatten einen höheren Testosteronwert als Männer mit Diabetes oder Herzproblemen. Die Forscher untersuchten Daten von rund 5600 britischen Männern. Die Studie erschien im Magazin «The Aging Male».
Testosteron bringt nichts bei Erektionsproblemen
David Zimmermann, Leiter des Urologiezentrums Uroviva in Zürich, sagt: Männer seien nicht in derselben Situation wie Frauen. Bei Frauen sinke der Östrogenspiegel relativ abrupt, was Wechseljahrbeschwerden auslösen könne. «Damit endet auch die Fruchtbarkeit.» Männer dagegen könnten bis ins hohe Alter Kinder zeugen, sagt Zimmermann: «Die Wechseljahre betreffen irgendwann jede Frau. Es gibt aber 80-jährige Männer mit normalem Testosteronspiegel.»
Eine neue Übersichtsstudie der renommierten Forschergruppe Cochrane kam zum Schluss, dass Testosterontherapien wenig bis keinen Einfluss auf Erektionsprobleme oder die Qualität des Sexlebens hätten. Weitere Beschwerden, die mit einem niedrigen Testosteronspiegel zusammenhängen sollen, sind unter anderem Konzentrationsprobleme, Depressionen und Lustlosigkeit. Hausarzt Thomas Walser aus Zürich sagt: «Die Beschwerden, die man dem Testosteronmangel zuschreibt, sind so zahlreich und unspezifisch, dass viele andere Ursachen dafür in Frage kommen.»
Der einzige Grund, Testosteron zu nehmen, sei die Diagnose Hypogonadismus, so Walser. Dabei produzieren die Hoden weniger oder kein Testosteron. Die Ursache ist etwa eine Unterfunktion der Hoden oder eine Störung der Hirnanhangsdrüse. Diese reguliert die Hormonproduktion.
Therapien erhöhen das Risiko von Herzinfarkten und Prostatakrebs
Die Testosterontherapie schadet vielleicht sogar. Einige Studien ergaben ein höheres Risiko für Herzinfarkt, Vorhofflimmern oder abgelagerten Kalk in den Arterien. Zudem steht Testosteron unter dem Verdacht, Prostatakrebs auszulösen.
Die Firma Cederberg in Binningen BL stellt das Hormonpräparat Tostran her. Sie sagt zur Anwendung, das Mittel sei nur bei Hypogonadismus zugelassen. Die Testogel-Herstellerin Future Health Pharma schreibt, eine grosse Studie von 2023 habe gezeigt, dass Testosteron nicht zu mehr Herz-Kreislauf-Krankheiten und Prostatakrebs führe als ein Placebo. Laut der Studie kam es nicht zu mehr Herzinfarkten und Schlaganfällen, aber das Risiko für Vorhofflimmern und Nierenschäden nahm zu.
So erhöhen Sie Testosteron auf natürliche Weise
- Essen Sie gesund und abwechslungsreich.
- Bauen Sie Übergewicht ab – vor allem am Bauch.
- Bewegen Sie sich drei Mal pro Woche mindestens eine halbe Stunde lang.
- Schlafen Sie ausreichend.
- Rauchen Sie nicht, meiden Sie Alkohol und Stress.