Dank künstlicher Hormone wie 17-Beta-Östradiol und Progesteron verwerten Rinder das Futter besser und wachsen schneller. Die Mäster mischen die Hormone meist unter das Futter oder spritzen sie den Tieren. Spuren dieser Hormone finden sich dann auch im Schlachtfleisch.
In der Schweiz ist die Rindermast mit solchen Hormonen verboten. Laut dem Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen waren dafür «ethische und tierschutzrechtliche Gründe» massgebend.
Nicht verboten ist der Import von Hormonfleisch. Letztes Jahr importierte die Schweizer Fleischindustrie 1178 Tonnen Rindfleisch von Tieren, denen Wachstumshormone verabreicht worden waren – gegenüber dem Vorjahr ein Plus von 9 Prozent. Drei Viertel des importierten Rindfleischs war Hormonfleisch. Es stammte aus Australien, den USA und Kanada. In Schweizer Läden und Restaurants muss Hormonfleisch deklariert sein. Dort steht jeweils der Vermerk: «Kann mit Hormonen als Leistungsförderer erzeugt worden sein.»
«Nachweis für Gesundheitsgefährdung wurde erbracht»
Anders in der Europäischen Union. Seit 1989 ist dort nicht nur die Hormonbehandlung in der Rindermast verboten, sondern auch der Import von Hormonfleisch. Für die EU ist klar: «Der Verzehr von Fleisch von Tieren, die mit künstlichen Hormonen gemästet werden, kann krebsfördernd und krebsauslösend sein.» So stehts in Stellungnahmen des wissenschaftlichen Ausschusses der EU für Veterinärwesen von 1999 und 2000. Basis waren 17 wissenschaftliche Studien. «Der Nachweis für die Gesundheitsgefährdung wurde erbracht», sagt Franz Fischler auf Anfrage von saldo. Der Österreicher amtete von 1995 bis 2004 als EU-Kommissar für Landwirtschaft.
Jürg Jordi vom Bundesamt für Landwirtschaft widerspricht. «Es ist wissenschaftlich nicht bewiesen, dass solches Fleisch gesundheitsschädigend wäre. Die Schweiz beschränkt sich deshalb auf die Deklarationspflicht.» Er ergänzt: «Ein Importverbot von Hormonfleisch würde internationale Handelsverpflichtungen verletzen.» Und Eva van Beek vom Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen sagt: «Für ein Einfuhrverbot könnten nur tierseuchen-polizeiliche oder lebensmittelhygienische Gründe herangezogen werden. Alles andere würde von der Welthandelsorganisation WTO als nichtgerechtfertigte Handelseinschränkung eingestuft.»
Im Klartext: Die Schweiz nimmt anders als die EU lieber ein Gesundheitsrisiko der Konsumenten in Kauf, als Regeln der WTO zu verletzen. Immerhin: Bis Ende Jahr läuft eine Anhörung des Bundesamts für Lebensmittelsicherheit zur «Verordnung im Bereich der Ein-, Durch- und Ausfuhr von Tieren und Tierprodukten». Darunter fällt auch der Import von Hormonfleisch.
Für das Bundesamt genügt die aktuelle Deklarationspflicht
Diese Anhörung benützt Hansuli Huber vom Schweizer Tierschutz für eine klare Forderung. Er beantragt die Streichung des Artikels, der die Einfuhr von Hormonfleisch erlaubt.
Anders das Bundesamt. Es will an der bisherigen Praxis festhalten. Die Konsumenten hätten dank der Deklarationspflicht ja die Wahl, ob sie Hormonfleisch kaufen wollen oder nicht.
Dafür müsste aber auf die Deklaration Verlass sein. Und das kann spätestens nach dem neusten Fleischskandal nicht mehr behauptet werden: Der fünftgrösste Fleischhändler der Schweiz, Carna Grischa aus Landquart GR, fälschte gleich alle Angaben, die beim Fleisch vorgeschrieben sind: Herkunft, Fleischart und Verbrauchsdatum.
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