Die Reserven eines Hilfswerks sollten in vernünftigem Verhältnis zu den jährlichen Ausgaben stehen: Nach Empfehlung der Schweizerischen Zertifizierungsorganisation für spendensammelnde gemeinnützige Organisationen Zewo sollten sie dem Betriebsaufwand von höchstens 24 Monaten entsprechen. Das ist viel. Kaum ein Unternehmen der Schweizer Wirtschaft dürfte über Reserven in diesem Umfang verfügen.
Die Schweizer Berghilfe saß per Ende 2015 auf einem Polster von 121 Millionen Franken (siehe Tabelle). Sie gab im gleichen Jahr nur 28 Millionen Franken aus. Mit den Reserven könnte sie theoretisch 52 Monate überbrücken.
Über der 24-Monate-Limite liegt auch die nicht Zewo-zertifizierte Heilsarmee: Sie erreicht eine Quote von gut 29 Monaten. Seit 2010 sind die Reserven weiter angewachsen – auf aktuell 483 Millionen Franken. Komfortabel auch das Finanzpolster des Schweizerischen Roten Kreuzes:
167 Millionen. Das reicht, um die Gesamtausgaben während 16 Monaten zu decken.
Weitere Beispiele: Heks (76 Millionen/13 Monate), Schweizerische Flüchtlingshilfe (11 Millionen/14 Monate).
Die Berghilfe begründet die hohen Reserven mit einem hohen Anteil an zweckgebundenem Kapital. Dies sind hauptsächlich Gelder, welche die Stiftung vorerst nicht antasten, aber anlegen darf. Zudem erhält die Berghilfe laut Sprecher Ivo Torelli viele Spenden aus Erbschaften und Legaten. Diese seien stark schwankend. Schwankend sei auch die Zahl der Anträge der Bergbevölkerung auf Unterstützung. Die Berghilfe vergebe Geld ausschließlich auf Gesuch hin und starte keine eigenen Projekte.
Die Heilsarmee verweist auf ihre Struktur: Sie besitze viele Liegenschaften. In den «Reserven» enthalten sind laut dem Finanzverantwortlichen Andreas Stettler auch die in Wohnhäuser investierten Spenden: «Diese Spenden sind zweckentsprechend ausgegeben.» Die wirklich frei verfügbaren Reserven gibt Stettler für 2015 mit 63,3 Millionen Franken an.
Die Reserven der Caritas stiegen innert fünf Jahren von 49 auf 71 Millionen Franken (Stand Ende 2015). Die Naturkatastrophe in Nepal und der Krieg in Syrien hätten zu sehr vielen Spenden geführt. Eine nachhaltige Hilfe erfordere eine Finanzplanung, die über die Tagesaktualität hinausgehe, sagt Caritas-Sprecher Stefan Gribi.
Martin Grossenbacher vom Schweizerischen Roten Kreuz sagt, man sei daran, die Reserven abzubauen. Die Schweizerische Flüchtlingshilfe verspricht, die Reserven von 11,4 Millionen Franken Ende letzten Jahres auf «zirka 5 Millionen Franken» zu senken. Das entspreche einem halben Jahresumsatz.
Ebenfalls abbauen will die Berghilfe. Laut Sprecher Torelli soll die Reservenquote per Ende 2016 noch 47 Monate betragen. Das ist aber immer noch fast doppelt so viel, wie die Zewo empfiehlt.
Weiterhin Spendengelder bunkern wird die Heilsarmee. Die Caritas will laut eigenen Angaben den Umsatz von aktuell 90 auf 120 Millionen Franken pro Jahr steigern und die «Kapitaldecke verstärken».
Heilsarmee: «Wir setzen Spenden effizient ein»
Die Heilsarmee sagt, die Spenden würden effektiv und effizient eingesetzt. Die Reservenziele blieben für die kommenden Jahre dieselben.
Gemäss Zewo-Geschäftsführerin Martina Ziegerer können «sehr hohe Reserven» bedeuten, «dass ein Hilfswerk zu wenig aktiv ist oder dass der Spendenzweck überholt ist».