Ein saldo-Leser aus Münchenstein BL braucht regelmässig Inkontinenzeinlagen. In seiner Apotheke kosten diese Fr. 20.30. Er bezeichnet das als «Wucher». In seinen Ferien auf Mallorca kaufte er das gleiche Produkt für nur Fr. 9.40. Seine Krankenkasse zahlt nichts für die spanischen Einlagen. Sie darf nur Hilfsmittel vergüten, die in der Schweiz gekauft werden.
Seit Jahrzehnten ärgern sich Patienten über die überrissenen Preise für medizinische Hilfsmittel in der Schweiz (saldo 7/2013; «K-Tipp» 15/2005). Verantwortlich dafür ist das Bundesamt für Gesundheit. Seit 1996 legt es in der Mittel- und Gegenständeliste (Migel) die Höchstvergütungsbeträge für Krücken, Beatmungsgeräte, Verbandmaterial und vieles mehr fest. Das heisst: Das Bundesamt bestimmt, wie viel die Krankenkassen den Grundversicherten für rezeptpflichtige Hilfsmittel höchstens vergüten dürfen.
Bund senkte die Preise, aber sie sind immer noch zu hoch
Schon 2005 forderte der damalige Preisüberwacher Rudolf Strahm:
«Die Preise muss man korrigieren.» Und vom Bundesamt für Gesundheit hiess es: Die Liste sei überholt – vor 2008 sei aber keine Besserung zu erwarten.
Jetzt werden erstmals systematisch die teils seit 20 Jahren geltenden Preise der Migel-Liste unter die Lupe genommen. Die Überprüfung dauert gemäss Bundesamt bis Ende 2019.
In den vergangenen eineinhalb Jahren wurden ein paar Preise reduziert. So senkte der Bund den Betrag für Krücken von 81 auf 25 Franken. Beim Schlafapnoe-Gerät, das nachts die Atemwege offen hält, fiel der Preis von 2500 auf 1500 Franken, bei der Lichttherapie-Lampe von 720 auf 350 Franken und bei den Blutzuckerteststreifen von Fr. 44.65 auf 40 Franken.
Die neuen Preise sind immer noch zu hoch. Das verdeutlicht der Krankenkassenverband Santésuisse mit einem aktuellen Preisvergleich mit Deutschland. Im Nachbarland kostet etwa eine Krücke umgerechnet rund 10 statt 25 Franken. Ein Schlafapnoe-Gerät gibt es in Deutschland schon für 487 Franken und die Blutzuckerteststreifen für rund 22 Franken. Santésuisse ortet ein jährliches Einsparpotenzial von bis zu 100 Millionen Franken.
Apotheker und Ärzte orientieren sich am Höchstbetrag
Apotheker und Ärzte können die Preise für die medizinischen Hilfsmittel frei bestimmen. Sie orientieren sich aber an den Preisen des Bundesamts für Gesundheit. Preisüberwacher Stefan Meierhans kritisiert: «Die Krankenversicherer sind verpflichtet, die Kosten bis zum Höchstvergütungsbetrag zurückzuerstatten – deshalb wird dieser von den Händlern oft als Preisempfehlung betrachtet.» Noch deutlicher sagt es CVP-Nationalrätin Ruth Humbel: «Die überrissenen Höchstvergütungsbeträge sind faktisch Fixpreise.»
Das Bundesamt für Gesundheit beschwichtigt. Die einzelnen Produktepreise seien nur als «Sofortmassnahmen» angepasst worden. «Diese Positionen werden im Rahmen der ordentlichen Überprüfung nochmals angeschaut», sagt Sprecher Jonas Montani.
Therapeut will sparen – darf aber nicht
Ein Psychotherapeut aus Olten SO verlangte für eine Patientin bei der Krankenkasse eine Kostengutsprache für eine Lichttherapie-Lampe. Er schrieb der Kasse, die Lampe von Philips sei bei Galaxus für 199 Franken erhältlich. Die Krankenkasse gewährte gemäss Migel-Liste eine Kostengutsprache über 350 Franken, lehnte aber Galaxus als Händler ab. Galaxus sei «kein anerkannter Leistungserbringer». Die Patientin musste die Lampe bei einem teureren Händler für fast 350 Franken kaufen.