Diverse Coop-Filialen verkaufen neu «Heumilch». Der Grossverteiler behauptet, das neue Produkt habe einen «spürbaren Mehrwert» gegenüber der konventionellen Milch. Kritiker melden Zweifel an und sprechen von einem «Marketing-Gag».
Einen «spürbaren Mehrwert» bescheinigte die «Coop-Zeitung» vor kurzem der Heumilch. Sie werde ohne Silofutter erzeugt und habe einen «hohen Wert» an besonders gesunden «Omega-3-Fettsäuren». Auch die Lieferanten, Bauern aus der luzernischen Napfregion, behaupten auf ihrer Website, Heumilch sei «vollmundig im Geschmack» und habe einen «doppelt so hohen Wert an Omega-3-Fettsäuren» wie andere Milchprodukte. Ihre Kühe dürften «Gras und Heu von der Wiese mit vielen feinen Kräutern essen».
Ein Liter Heumilch kostet in den 61 Coop-Läden in der Nordwest- und Zentralschweiz, die das neue Produkt ins Regal stellen, Fr. 1.75 pro Liter – 25 Rappen mehr als andere Milch. Ob der Aufschlag gerechtfertigt ist, ist fraglich. Der Heumilch-Verein listet 23 Kriterien auf, die Bauern für das Label erfüllen müssen. Die meisten erfüllen sie ohnehin:
Über 80 Prozent der Schweizer Milchkühe sind im sogenannten Raus-Programm. Milchkühe müssen im Sommerhalbjahr 26 Tage pro Monat auf die Weide können, im Winterhalbjahr sind es 13 Tage. Oder sie müssen das ganze Jahr über Zugang zum Laufhof haben. Beim Programm «Graslandbasierte Milch- und Fleischproduktion» füttern Bauern ihre Kühe vorwiegend mit Gras. Zwei Drittel der Bauern machen mit.
Heumilch-Bauern müssen eine zusätzliche Forderung erfüllen: Sie dürfen ihren Kühen kein Silofutter geben, also kein Gras und Heu, das im Silo aufbewahrt wurde.
Für Andreas Bosshard von der kritischen Agrarvereinigung «Vision Landwirtschaft» ist jedoch klar: «Es gibt keine glaubwürdigen Hinweise dafür, dass der Verzicht auf Silofütterung einen positiven Einfluss auf den Gehalt an gesunden Omega-3-Fettsäuren der Milch hat.» Studien zeigten vielmehr, dass der Omega-3-Gehalt zunehme, wenn die Kuh viel Futter von artenreichen Wiesen fresse oder der Anteil an Kraftfutter stark reduziert sei. Der Heumilch-Verein verspreche eine besonders kräuterreiche Fütterung, stelle aber keine entsprechenden Anforderungen an die Produzenten. Bosshard kritisiert die Werbekampagne als «Marketing-Gag».
600 000 Franken Bundesgelder für zwei Jahre
Robert Schwarz vom Verein «Heumilch Schweiz» widerspricht. Käufer von Heumilch hätten die Garantie, Milch aus Grasland-basierter, silofreier und Raus-Produktion zu bekommen. Milch aus Silofütterung habe mehr «Fehlgeschmack». Er verweist auf eine österreichische Studie: Österreichische Heumilch enthalte mehr gesunde Inhaltsstoffe als Standardmilch. Ob das auch auf die Coop-Heumilch zutrifft, ist offen. Es gibt keine entsprechende Studie.
Die neue Milch bekommt dennoch Hilfe vom Steuerzahler: Das Bundesamt für Landwirtschaft unterstützt die neuen Produktions-Standards und die «Vermarktung» von Heumilch mit total 600 000 Franken für dieses und letztes Jahr.